Als 1999 Sofia Coppolas Regiedebüt "The Virgin Suicides" in Cannes Premiere feierte, reagierten manche Kritiker mit wohlwollender Herablassung: Das sei ja alles sehr stilsicher, aber da habe wohl auch der Papa ein wenig über die Schulter geschaut. Inzwischen würde niemand mehr auf die Idee kommen, die Filmemacherin an ihrem Vater Francis ("Der Pate", "Apokalypse Now") zu messen. Sofia Coppola hat sich einen ganz eigenen künstlerischen Kosmos geschaffen. Das zeigt sich sehr deutlich auch in ihrem neuen Film "The Bling Ring", der jetzt in die Kinos kommt.
Kaum ein Filmemacher ihrer Generation scheint so sehr aus persönlichen Erfahrungswelten zu schöpfen: Ruhm, Glamourleben, Isolation und das jugendliche Empfinden, nicht verstanden zu werden, ziehen sich als Themen durch all ihre Werke. Stets hat man das Gefühl, dass sie als Spross einer legendären Hollywood-Adelsfamilie nur zu gut weiß, wovon sie erzählt.
In ihrem neuen Film verlagert Coppola den Fokus auf Menschen jenseits des Rampenlichts. Die Teenager Rebecca, Marc, Nicki, Sam und Chloe stammen aus gut situierten Mittelstandsfamilien und interessieren sich allein für teure Modelabels, schicke Autos, Szenediscos und das Leben der Hollywood-Schickeria. Das Wohlstandsdenken ihrer Eltern ist bei ihnen reiner Abenteuerlust gewichen: Unverschlossene Autos auf Wertsachen zu durchsuchen, wirkt da wie ein harmlose Einstiegsdroge.
Den ultimativen Kick finden sie, als sie eines Nachts aus Langeweile in das Haus ihres Idols Paris Hilton einsteigen. Schon bald wird aus dem einmaligen Kick eine ganze Serie von Einbrüchen in die Villen verschiedener Stars. Immer hemmungsloser bedient sich die Clique in den Kleiderschränken und Schmuckschatullen.
Sofia Coppola drehte ihren Film nach realen Ereignissen, den "Bling Ring" gab es wirklich. Stars wie Orlando Bloom, Megan Fox und Lindsay Lohan gehörten 2008 und 2009 zu den Opfern. Ein ironisches Detail: Die meisten Anwesen waren völlig ungesichert, bei Paris Hilton lag der Schlüssel unter der Fußmatte.
Porträt einer genussüchtigen Jugend im Schatten Hollywoods
Aus der Story hätte man leicht ein Moralstück über die dekadente Jugend des frühen 21. Jahrhunderts machen können. Coppola aber interpretiert die Geschichte auf sehr viel spannendere Weise. Sie zeichnet das Porträt einer genussüchtigen Jugend im Schatten Hollywoods mit angemessener Unvoreingenommenheit - Genusssucht und Starkult begreift sie als integralen Bestandteil des modernen Showgeschäfts. Auch hier dürfte sie als Generationsgenossin einer ganz eigenen Glamour-Clique wissen, wovon sie spricht.
Zugleich wendet sie die durch Twitter und Facebook schwindenden Grenzen zwischen Stars und Fans ins Ironische: Die Jugendlichen scheinen ihre vermeintliche Vertrautheit mit dem Leben der Prominenten als Berechtigung zu sehen, sich ihres Besitzes zu bemächtigen. Was früher das sexuelle Begehren von Groupies war, weicht in dieser Welt reinem Konsumdenken. "Let's go to Paris'" klingt wie eine Aufforderung zum Einkaufsbummel, die Ansage "I want to rob!", reimt sich nicht zufällig auf "shop", und die traumwandlerische Vertrautheit der Schüler mit Modemarken und Designern nötigt einen gewissen Respekt ab.
Coppola verfügt über ein beeindruckendes Gespür für die Sprache und die Lebensdetails dieser jungen, verwöhnten, nimmersatten Menschen, bleibt aber angenehm vorurteilsfrei. Und so komplett morallos diese High-School-Kids auch sind, so wenig aggressiv oder gar zerstörerisch wirken ihre Verbrechen. Im Gegenteil scheinen die Diebstähle für eine beinahe kindliche Form der Verehrung zu stehen. Die Faszination für das Luxusleben gestaltet Coppola bewusst nachvollziehbar, mit dem feinen Kniff, dass die Stars scheinbar allein für ihren Status in der Klatschpresse, nicht aber für ihr künstlerisches Schaffen verehrt werden.
USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan 2013. Regie: Sofia Coppola. Buch: Sofia Coppola. Mit: Katie Chang, Israel Broussard, Emma Watson, Claire Julien, Taissa Farmiga, Georgia Rock, Leslie Mann. Länge: 103 Minuten. FSK: ab 12 Jahre.