Herr Ristok, warum wollen Sie den vertrauten Sonntagsgottesdienst abschaffen?
Wolfgang Ristok: Ich will ihn gar nicht abschaffen, sondern ihn zukunftsfähig machen. Tatsache ist, dass der übliche Predigtgottesdienst, in dem 15 bis 20 Minuten lang in Form einer Rede ein Bibeltext ausgelegt wird, nur drei bis vier Prozent der Kirchenmitglieder erreicht. Alle anderen bleiben zu Hause, sie stimmen also mit den Füßen ab. Gleichzeitig erleben andere Formen des Gottesdienstes starken Zulauf.
###mehr-artikel###
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Ristok: Wir sollten die Attraktivität dieser anderen Formen nutzen und sie am Sonntag etablieren. Das heißt: Im Monatsrhythmus sollte eine Kirchengemeinde etwa am ersten Sonntag einen Familiengottesdienst, am zweiten eine Andacht im Stil der Taizé-Gemeinschaft, am dritten eine Abendmahlsfeier und am vierten einen Gottesdienst mit Theaterelementen anbieten. Damit könnten Besucher zumindest alle vier Wochen ihre bevorzugte Form von Gottesdienst in ihrer Kirche besuchen. Weitere mögliche Formen sind Segnungsgottesdienste, kirchenmusikalische Feiern, Gottesdienste der jungen Gemeinde und natürlich der klassische Gottesdienst mit Predigt.
Und dadurch soll der Gottesdienst mehr Menschen anlocken?
Ristok: Das müsste man zumindest einmal ausprobieren. Deshalb schlage ich vor, dieses Modell in mehreren Kirchenbezirken zu erproben - in Einzelgemeinden oder im Verbund mehrerer Gemeinden, die sich durch ihr Gottesdienstangebot gegenseitig ergänzen. Nach fünf Jahren werden wir ja sehen, ob der variierte Gottesdienst am Sonntag insgesamt mehr Menschen angelockt hat als der Standard-Predigtgottesdienst, den wir heute überall haben.