"Im Steuersystem muss gelten: Je mehr Kinder, desto weniger Steuern auf das selbst verdiente Einkommen", sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) der "Welt am Sonntag". Dafür sollten nicht nur eine Erweiterung des Ehegatten- auf ein Familiensplitting sorgen, sondern auch mehr Investitionen in Kitas und Ganztagsschulen. Neben von der Leyen forderten noch andere Politiker aus Regierungskoalition und Opposition mehr Unterstützung für Familien.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, Kinder sollten künftig steuerlich besser berücksichtigt werden. Den Eltern solle bei der Steuererklärung ein Grundfreibetrag für Kinder auf dem Niveau Erwachsener eingeräumt werden.
133 Millionen jährliche Steuern für Windeln
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kündigte dem Bericht zufolge an, im Falle eines Wahlsieges Familien mit Kindern stärker entlasten zu wollen und "Schritt für Schritt eine Gebührenfreiheit für Kitas" durchzusetzen. Finanziert werden soll der Plan mit "Steuererhöhungen für einige wenige".
Die familienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär (CSU), forderte eine Entlastung von Familien durch niedrigere Verbrauchssteuern für Babyprodukte. Nach Industrieangaben geben die Deutschen pro Jahr 700 Millionen Euro allein für Windeln aus. Beim geltenden Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zahlen Eltern allein dadurch 133 Millionen Euro pro Jahr an Verbrauchssteuern.
Der Sozialverband VdK forderte eine für Eltern komplett kostenlose Betreuung und Bildung. "Alle Bildungseinrichtungen, nicht nur die Schulen und Universitäten, auch Kindergärten und Kinderkrippen sollen im Grundsatz kostenfrei sein", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Macher.
"Vollständige Ökonomisierung der Familienpolitik"
Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Ein- und Zweijährige ab 1. August hat bundesweit die Diskussion darüber angeheizt, wer die größten finanziellen Lasten der Kindererziehung trägt. Die größte Unwucht besteht dabei nach Ansicht von Experten im Rentensystem: Mütter können durch die Erziehungszeiten im Durchschnitt weniger Ansprüche erwerben als kinderlose Frauen, die ihr Leben lang in Festanstellung gearbeitet haben.
Finanzminister Schäuble sagte der "Welt am Sonntag" und in einem Interview des Deutschlandfunks, Erziehungszeiten sollten in der Rente künftig besser als bisher anerkannt werden. Im Wahlprogramm hat die Union bislang nur ihren Plan sogenannter Mütterrenten verankert, um Mütter von vor 1992 geborenen Kindern bei der Rente besser zu stellen.
Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) warnte unterdessen vor einer Unterordnung der Familie unter wirtschaftliche Interessen. Die "angeblich freie" Wahl zwischen Familien- und Berufsarbeit sei zugunsten der Berufsarbeit entschieden, kritisierte Blüm in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Blüm, 16 Jahre lang Arbeitsminister im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), lehnt eine Abschaffung des Ehegattensplittings ab, das unterschiedlich hohe Einkommen von Ehepartnern ausgleicht. Zudem kritisiert er das neue Scheidungsrecht mit schlechteren Chancen auf Unterhalt für Frauen. Es bestrafe Frauen, die zugunsten der Familienarbeit auf eine Erwerbsbeteiligung verzichtet hätten.
Unterstützung erhielt Blüm von führenden Unionspolitikern. Der Vorsitzende der CDU Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet, warf SPD und Grünen vor, sie wollten die "vollständige Ökonomisierung der Familienpolitik". Auch die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, Spitzenkandidatin der CSU für die Bundestagswahl im September, wandte sich gegen Versuche, das Ehegattensplitting abzuschaffen oder einzuschränken.