Papst Franziskus selbst sei kein Befreiungstheologe, aber es gebe mit ihm viele Übereinstimmungen, sagte er am Samstag dem Internetportal tagesschau.de. "Er ist ein Lateinamerikaner, der die Ungleichheiten kennt und das Elend. Er ist offen und progressiv."
Dass sich der neue Papst Franziskus genannt habe, habe hohen symbolischen Wert, sagte Betto. Franz von Assisi habe den Kapitalismus kritisiert. Er habe sich für die Armen entschieden und sei ein Verteidiger der Umwelt gewesen. Betto: "Heute würde man sagen: Er war die große ökologische Figur der Kirche." Und er sei bereit gewesen, die Kirche zu reformieren. An diesem Sonntag feiert Papst Franziskus in Rio de Janeiro die Abschlussmesse zum Weltjugendtag.
Kampf gegen die Ungleichheit
Betto erwartet nach eigenen Worten weitere Veränderungen in seiner Kirche. "Entweder ändert sich die Kirche oder sie wird keine Zukunft mehr haben." Die Jugend von heute würde nicht mehr akzeptieren, dass eine Institution ihnen den Gebrauch von Kondomen verbietet, dass man keinen Sex vor der Ehe haben darf und dass Sexualität in der Ehe nur der Fortpflanzung dienen darf.
Betto galt als militanter Kämpfer gegen die brasilianische Militärdiktatur und verbrachte zwei Jahre im Gefängnis. 2003 wurde er von Präsident Luis Inácio Lula da Silva zum Beauftragten für das Regierungsprogramm "Fome Zero" (Null Hunger) berufen. Nach Meinungsverschiedenheiten schied er 2004 aus der Regierung aus. Der Autor zahlreicher Bücher wurde in diesem Jahr von der UNESCO für seinen Einsatz für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit ausgezeichnet.
Die Befreiungstheologie sieht den Kampf gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft als zentrale Aufgabe der Kirche. Ihre "Basisgemeinden" stellen die Anliegen der Armen in den Mittelpunkt. Befreiungstheologen wie etwa der Brasilianer Leonardo Boff wurden vom Vatikan mit Lehrverbot belegt, weil ihnen eine Nähe zur marxistischen Ideologie unterstellt wurde.