Syrien: "Alawiten in den Sarg, Christen nach Beirut"

Foto: dpa Picture-Alliance/Hussein Malla
Der zerstörte Altar der Judeida Kirche im christlichen Dorf Judeida in der Provinz Idlib, Syrien. Die Rebellen stürmten die Bergdörfer im Januar 2013, da die Armee von einer nahegelegnen basis Rebellen-Gebiet beschoss.
Syrien: "Alawiten in den Sarg, Christen nach Beirut"
Krieg zeichnet sich nicht nur durch brutale Kämpfe, rohe Gewalt und sinnlose Opfer aus. Auch Propaganda gehört immer zu den Kriegsparteien. In Syrien versuchen die jeweiligen Kriegsparteien, mit ihrer Propaganda die religiösen Gruppierungen auf ihre Seite zu ziehen.

Der Spruch soll von den Rebellen kommen, sagt Maria Haarmann von Misereor. Sie koordiniert im Bürgerkriegsverwüsteten Land Hilfsprojekte: "Die Alawiten in den Sarg, die Christen nach Beirut." Ob der Satz, der auch an Hauswände in der syrischen Hauptstadt Damaskus geschmiert wurde, tatsächlich von den Rebellen kommt? Maria Haarmann weiß es nicht, das Time-Magazin bezweifelte es in einem Artikel aus dem Dezember 2012.

Dem Bericht des Magazins zufolge soll das Assad-Regime 500 US-Dollar pro Monat an Menschen gezahlt haben, die als Anhänger der Opposition auftraten und diesen Spruch als Graffiti verbreiteten oder auf Demonstrationen riefen.

"Christen kämpfen auf beiden Seiten"

Ob Assad nun Anhänger anstiftete oder die Rebellen selbst den Spruch verbreiteten – beide Versionen scheinen nicht aus der Luft gegriffen. Ähnlich verhält es sich mit der Entführung zweier orthodoxer Bischöfe aus Aleppo, Ende April 2013; niemand weiß bisher wo sie sind und ob sie noch leben.

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"Die meisten nehmen an, dass sie von Oppositionskämpfern entführt wurden", schreibt Zhudi Jasser, Beauftragter der US-Kommission für Religionsfreiheit in einem Bericht vom 25. Juni 2013 mit dem Titel "Gefangen in der Mitte". Manche Oppositionelle behaupten jedoch, Freunde des Regimes wollten mit der Entführung der Bischöfe sektiererische Ängste weiter schüren.

"Christen kämpfen auf beiden Seiten", sagt Jochen Weiß-Lange, Auslandspfarrer der EKD für Libanon und Syrien. Schon seit Anfang 2012 konnte er seine Gemeinde in Aleppo nicht mehr besuchen, in Damaskus war er seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr. "Die Strecke dorthin ist zu gefährlich", sagt Jochen Weiß-Lange. Wenn man erstmal da ist, ist die Situation in den Stadtvierteln aber gespenstisch ruhig, berichten seine verbliebenen Gemeindemitglieder aus der Stadt.

Der Konflikt brennt zwischen Sunniten und Schiiten

"Es gibt viele Christen, die auf der Seite des Regimes stehen, weil es ihnen da noch besser ging", erklärt Jochen Weiß-Lange. Religiöse Freiheiten in einem Land sagen jedoch nichts über den Zustand der Menschenrechte. Die Baath-Partei – von einem Christen mitgegründet - vertrete eine säkulare nationale  Ideologie, die das gemeinsame Arabertum über die religiösen Unterschiede stellt, sagt Maria Haarmann von Misereor. Christen und andere nicht-islamische Minderheiten hätten dadurch einen Freiraum genossen, in dem sie ihre Religion weitaus ungehinderter leben konnten als in vielen anderen islamischen Ländern. Im Gegenzug aber forderte das Regime Loyalität von den Christen ein.

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Doch sowohl Alawiten und Christen als auch das städtische sunnitische Bürgertum fürchten eine Zeit nach dem Baath-Regime: Kommen nach dem Fall des Regimes die Machtübernahme der religiösen Hardliner und Racheaktionen dschihaddistischer Kämpfer? Diese Frage stellten sich auch die Christen seiner Gemeinde, sagt Jochen Weiß-Lange. Die eigentliche religiöse Kampfeslinie sehen sie jedoch zwischen Sunniten und Schiiten.

Doch, so Haarmann, auch die radikalislamischen dschihadistischen Gruppen seien in ihrem Verhalten unterschiedlich. Gewährsleute aus Aleppo berichteten ihr, dass muslimischen Geistlichen, die sich gegen eine Vereinnahmung durch  Al-Nusra-Rebellen gewehrt hätten, kurzerhand die Köpfe abgeschlagen worden seien. In einem anderen, damals von der Al- Nusra-Front beherrschten Gebiet, seien die Kämpfer jedoch durchaus korrekt  aufgetreten. So hätten sie die Arbeit christlicher Einrichtungen störungsfrei weitergehen lassen.

Schon immer gab es religiöse Spannungen in Syrien, schreibt Jasser in seinem Bericht. Bisher hätten die religiösen Minderheiten, die in Syrien etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, versucht, sich aus dem Konflikt herauszuhalten: "Aber die Umstände zwingen sie immer stärker, Position entweder für oder gegen das Regime zu beziehen."