"Wer in gutem Glauben auf gravierende Missstände oder gar Straftaten hinweist, darf deswegen weder diskriminiert noch benachteiligt oder gar gekündigt werden", sagte Deiseroth dem Evangelischen Pressedienst (epd). Falls dies trotzdem geschehe, müsse es einen gesetzlichen Anspruch auf Wiedergutmachung und Schadensersatz geben.
Nach Ansicht des Rechtsexperten hinkt Deutschland beim Schutz von Whistleblowern deutlich hinterher. "Vielfach wurde und wird eine falsch verstandene Loyalität eingefordert und nach dem Motto 'Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" verinnerlicht', sagte Deiseroth. Zudem sei eine "Kultur" des Verschweigens von Missständen und des Wegsehens in Deutschland weit verbreitet.
###mehr-artikel###
Die derzeitige Rechtslage schütze Hinweisgeber nur sehr unzureichend, ergänzte Deiseroth. Es reiche nicht aus, Hinweisgebern einen Kündigungsschutz nur im Einzelfall in Aussicht zu stellen. "Das schafft keine Planungssicherheit für Beschäftigte, sondern schreckt ab", sagte Deiseroth. Die Meinungsäußerungsfreiheit der Beschäftigten dürfe derjenigen des Arbeitgebers nicht nachstehen.
Gute Beispiele für den Schutz von Hinweisgebern lassen sich laut Deiseroth in der britischen Gesetzgebung finden. Auch in den USA gibt es seit Jahrzehnten Regelungen, um Whistleblower in staatlichen Behörden oder in Unternehmen vor Repressalien zu schützen. Allerdings habe es seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Rückschläge beim Whistleblowerschutz gegeben.
Der Richter bezeichnete die Hinweisgeber als "eine Art Frühwarnsystem". "Vielfach können Straftaten, etwa bei öffentlichen Ausschreibungen, Finanzmanipulationen oder in Korruptionsfällen, nur aufgrund von Insider-Hinweisen aufgeklärt werden", sagte Deiseroth. Staatliche Überwachungsbehörden seien ohne diese Hinweise häufig hoffnungslos überfordert.
Deiseroth forderte zudem eine "ethikfreundliche Infrastruktur" in Unternehmen, Instituten und behördlichen Dienststellen. Neben einem Kodex sollte es Ethikschutzbeauftragte oder Ombudspersonen geben, an die sich Whistleblower ohne Furcht vor Repressalien wenden können.
Er riet zudem Hinweisgebern bevor sie mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen, sich Unterstützung von Kollegen und Familie zu holen, um sich nicht zu isolieren. Reagiert der Vorgesetzte nicht auf die Vorwürfe, sind externe staatliche Stellen wie der Datenschutzbeauftragte, das Gewerbeaufsichtsamt oder die Staatsanwaltschaft die nächste Anlaufstelle. Bleibt auch dies wirkungslos, sollten Bürgerinitiativen oder Journalisten eingeschaltet werden.