Dank ausgefallener Geschichten, exzellenter Inszenierungen und dem großartigen Matthias Brandt zählen die "Polizeiruf"-Beiträge aus München zum Besten, was der Sonntagskrimi im "Ersten" zu bieten hat. Jan Bonnys Film "Der Tod macht Engel aus uns allen" knüpft daran nahtlos an. Der Regisseur, bekannt geworden durch das Ehedrama "Gegenüber" (2007, ebenfalls mit Brandt), hat bislang gerade mal eine Handvoll Filme gedreht, und doch ist ihm mit diesem Werk ein Drama von großer Intensität gelungen.
Dass man unwillkürlich an die Krimis von Dominik Graf denkt, mag auch damit zu tun haben, dass das Drehbuch von Günter Schütter stammt. Der Autor hat die Vorlagen für einige herausragende Graf-Filme geschrieben, darunter nicht nur "Der rote Kakadu", "Der Skorpion" und "Der scharlachrote Engel" (ebenfalls ein "Polizeiruf"), sondern mit "Cassandras Warnung" auch den ersten Fall für den neuen Münchener "Polizeiruf"-Kommissar. Offenkundiger sind jedoch die Parallelen zu dem wohl am meisten unterschätzten Werk aus Grafs Filmografie, "Die Sieger" (1994). Ähnlich wie in dem Action-Thriller, einem der größten deutschen Kinoflops der Neunziger, ist "Der Tod macht Engel aus uns allen" eher Polizeifilm als Krimi: Ein transsexueller Mann ist in einer Polizeistation ums Leben gekommen, sein Lebensgefährte hat Anzeige erstattet; Hanns von Meuffels (Brandt) soll rausfinden, ob der Tod ein Unfall war oder ob mehr dahintersteckt.
Mitten im Getümmel
Polizisten, die Dreck am Stecken haben, aber zusammenhalten wie Pech und Schwefel: Das ist weder neu noch originell. Der Reiz einer solchen Geschichte muss also in der Umsetzung liegen; und in der Kunst, aus Klischeefiguren nach und nach Charaktere mit eigenen Biografien zu machen. Um so mutiger ist die Besetzung: Abgesehen von Hans-Jochen Wagner als Wortführer sind die Darsteller der Beamten von der Polizeiinspektion 25 kaum bekannt. Sie wirken ausnahmslos authentisch und überzeugend, ein Eindruck, der durch die Bildgestaltung (Nikolai von Graevenitz) noch verstärkt wird: Dank der Handkamerabilder ist man als Zuschauer quasi ständig mitten im Getümmel. Großen Anteil an der fast naturalistischen Anmutung des Films hat auch der Ton (Peter Kovarik); immer wieder schiebt sich typischer Großstadtlärm (Autos, Presslufthammer, Martinshorn) akustisch in den Vordergrund.
Und doch liegt der Reiz des Geschehens in der Geschichte. Mit Hilfe vieler beiläufig eingestreuter Details sorgen Schütter und Bonny dafür, dass sich aus konstruierten Konstellationen ein emotionales Geflecht entwickelt: weil von Meuffels nicht näher erläuterte Gefühle für den transsexuellen Hinterbliebenen (sehr anrührend: Lars Eidinger) empfindet, und weil sich bei den gleichermaßen überforderten wie unterbezahlten uniformierten Polizisten ein so genanntes Gefahrgemeinschaftssyndrom im kollegialen Nahraum entwickelt. Schön ist zum Beispiel ein unausgesprochenes Wortspiel: Der Korpsgeist zwischen den Polizisten ist auch ein Chorgeist, denn nach Feierabend treffen sie sich gern zum gemeinsamen Gesang.
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Bonnys intensive und konzentrierte Inszenierung macht diesen Krimi nicht nur zu einem sehenswerten Polizeifilm, sie könnte auch wieder mal zu Diskussionen führen. Im September 2011 sah sich der Bayerische Rundfunk veranlasst, den Film "Denn sie wissen nicht, was sie tun" erst nach 22 Uhr zu zeigen. Auch "Der Tod macht Engel aus uns allen" bietet Jugendschützern, die ohnehin jeden Sonntagskrimi der ARD mit Argusaugen verfolgen, Argumente gegen eine Ausstrahlung um 20.15 Uhr: Die Bilder sind zwar nicht plakativ, aber empfindsame Zuschauer werden gerade die Dialoge abstoßend finden. Die negative Weltsicht, die gewalttätige Atmosphäre und der aggressive Umgangston stimmen ohnehin alles andere als zuversichtlich. Das desillusionierende Ende ist da nur konsequent.