Das Militär sei mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen worden und habe sich mit Waffen gewehrt, sagte Schmidt in einem Interview mit dem "Zeit"-Magazin. Die vom Roten Kreuz geschätzte Zahl der Toten von 2.600 halte er für "weit übertrieben". Botschafter in Peking hätten die Zahl viel niedriger eingeschätzt.
Es müsse berücksichtigt werden, dass zu der Zeit erstmals nach langer Pause der sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow in Peking zu Besuch gewesen sei, fügte Schmidt hinzu. Gorbatschow habe aufgrund der Proteste die "Große Halle des Volkes" durch die Hintertür betreten müssen. Für Chinas damaligen Staatschef Deng Xiaoping sei dies "ein enormer Gesichtsverlust" gewesen.
"Soldaten hatten nur gelernt zu schießen"
Entscheidend sei gewesen, dass China zu dieser Zeit keine kasernierte Polizei gehabt habe. Der Regierung habe zum Eingreifen somit nur das Militär zur Verfügung gestanden. Schmidt: "Und die Soldaten hatten nur gelernt zu schießen." Deng gelte zwar offiziell als Befehlsgeber, er sei sich aber nicht sicher, ob dies auch zutreffe.
Er würde auch heute noch Deng als den erfolgreichsten kommunistischen Führer der Weltgeschichte bezeichnen, sagte Schmidt. Er habe das Land nachhaltig zum Guten verändert. Die Aussage, dass in China die Freiheitsrechte zugunsten des Wohlstands "geopfert" würden, sei falsch. Persönliche Freiheitsrechte habe es in der chinesischen Geschichte nie gegeben. Politische Vorgänge in China dürften nicht nach europäischen Maßstäben beurteilt werden. Schmidt hatte im Sommer eine zwölftägige Reise nach China und Singapur unternommen.