Herr Erzbischof Schick, Menschenhandel - das klingt für viele nach "weit weg" und "betrifft mich nicht". Inwiefern ist das auch ein europäisches, ein deutsches Problem?
Ludwig Schick: Menschenhandel ist auch ein europäisches und deutsches Problem - es geht uns alle an. Nach Deutschland werden Frauen und Jugendliche, sogar Kinder für die Prostitution verschleppt. Das ist eines der schlimmsten Verbrechen des Menschenhandels. Das Leben dieser Menschen wird oft für immer zerstört, weil ihr Körper - ein Geschenk Gottes und wichtigste Gabe der eigenen Identität - missbraucht wird. Das hinterlässt bleibende Schäden. Aber auch der Sextourismus zum Beispiel nach Asien und Afrika hat mit Menschenhandel zu tun. Deshalb ist es richtig, dass auch die sogenannten Freier härter bestraft werden.
Menschenhandel kennt man aus den Medien vor allem im Bereich der Zwangsprostitution. Aber auch die Ausbeutung der Arbeitskraft ist ein Thema. Auch bei uns?
Schick: Die Unternehmen in den reichen Ländern versuchen, ihren Gewinn zu steigern, indem sie mit Arbeitskräften aus Billiglohnländern kalkulieren. Die aus unserer Sicht niedrigsten Löhne sind für die dortigen Verhältnisse hoch. Die Arbeiter, die zu uns kommen, leben dann oftmals unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es geht aber auch um die Solidarität zwischen den Arbeitnehmern. Die Herstellung von Kleidung, Sportartikeln oder Autoersatzteilen in Billiglohnländern hat auch etwas mit Menschenhandel zu tun. Besonders Frauen und Minderjährige sind betroffen. Wir können uns für diese Menschen einsetzen, indem wir beim Einkauf auf fair produzierte und gehandelte Waren achten.
Was kann und muss Kirche hier zusammen mit Staaten und Gesellschaften tun, um das Problem wirksam anzugehen?
Schick: Es müssen zum einen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und zum anderen auch bestehende Gesetze verschärft werden. Die Polizei kann in dem einen oder anderen Fall sicher noch offensiver und beherzter eingreifen. Wichtig ist auch, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen. Hier kann die Kirche viel tun. Viele Menschen kommen zum Gottesdienst, es gibt kirchliche Pressearbeit und Vereine. Alle in unserem Land müssen achtsam sein, um wahrzunehmen, wenn sich in ihrer Umgebung etwas tut, was auf Menschenhandel hinweist.