TV-Tipp des Tages: "Eine Insel namens Udo" (Arte)

iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Eine Insel namens Udo" (Arte)
TV-Tipp des Tages: "Eine Insel namens Udo", 31. Mai, 20.15 Uhr auf Arte
Udo ist unsichtbar. Zwar nicht im Sinne der Durchsichtigkeit, aber so ähnlich: Udo ist derart unscheinbar, dass er seinen Mitmenschen aus dem Weg gehen muss, damit sie ihn nicht anrempeln.

Die meisten würden es als Fluch betrachten, aber Udo kann damit leben: Er ist unsichtbar. Zwar nicht im Sinne der Durchsichtigkeit, aber so ähnlich: Udo ist derart unscheinbar, dass er seinen Mitmenschen aus dem Weg gehen muss, damit sie ihn nicht anrempeln. John Donne und Johannes Mario Simmel zum Trotz ("Niemand ist eine Insel"): Udo wird einfach nicht zur Kenntnis genommen. Er hat sich mit diesem Schicksal arrangiert und das Beste draus gemacht; sein Chef preist ihn als den "Goethe der Kaufhausdetektive". Und dann passiert das Unvorstellbare: Plötzlich nimmt ihn ein Mensch wahr. Da es sich dabei um eine Frau handelt, ist recht bald klar, dass es in der sich anbahnenden Beziehung nicht bloß um Seelenverwandtschaft geht.
"Eine Insel namens Udo" erzählt eine der ausgefallensten Liebesgeschichten der letzten Jahre. Und nicht nur das: Die Entscheidung, die Hauptrolle ausgerechnet mit Alexander Bojcan zu besetzen, war geradezu tollkühn. Unter dem Künstlernamen Kurt Krömer ist Bojcan bekannt wie ein bunter Hund. Die raumgreifende Kunstfigur mit dem Berliner Dialekt hätte aber überhaupt nicht in diese Handlung passt, und das keineswegs bloß, weil sie sich im Rheinland zuträgt: Krömer ist mit seiner lautstarken Bühnenpräsenz naturgemäß das genaue Gegenteil von Udo.

Deshalb haben sich die Beteiligten auch keinen Gefallen damit getan, Bojcan unter seinem Pseudonym zu besetzen. Aus PR-Gründen ist es zwar verständlich, dass der Film mit Krömer wirbt, aber es weckt völlig falsche Erwartungen. Regisseur Marcus Sehr, der das Drehbuch gemeinsam mit Clemente Fernandez-Gil geschrieben hat, wusste offenbar genau, was er tat, als er Bojcan engagierte; und vermutlich hat er ihm als erstes den Krömer ausgetrieben. Das wiederum ist ihm so gut gelungen, dass der Komödiant in seiner ersten filmischen Hauptrolle gerade dank des zurückgenommenen Spiels eine bemerkenswerte darstellerische Leistung vollbringt.

Udo nächtigt im Kaufhaus

Der Rest des Respekts gebührt Sehr und Fernandez-Gil, denn ihr Film lebt keineswegs bloß von der Grundidee; auch wenn Udos Unscheinbarkeit zu einer Vielzahl heiterer Szenen führt. Entscheidender aber ist Sehrs vergleichsweise subtile Inszenierung dieser Momente. Bojcans Zurückhaltung unterstreicht Sehrs Standfestigkeit, die Komödie nicht in Klamauk ausraten zu lassen. Natürlich gibt es auch handfeste Auftritte, aber sie sind Teil der Geschichte: Der verständlicherweise etwas kauzige Udo hat kein Zuhause und pflegt im Kaufhaus zu nächtigen. Als er nach der ersten Liebesnacht mit Jasmin (Fritzi Haberlandt) auf der Suche nach seinen Kleidern nackt durch die Outdoor-Abteilung läuft, erregt er allerdings allerlei Aufsehen: Zum ersten Mal in seinem Leben wird er von anderen Menschen gesehen; wenn auch in einem etwas ungünstigen Moment. Ohnehin tut sich Udo fortan recht schwer mit seiner neuen Rolle als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Darunter leidet nicht nur seine Erfolgsstatistik als Detektiv, sondern auch die Beziehung: Udo ist erwachsen geworden und nicht mehr einzigartig.

Jasmin ist den Autoren als Figur womöglich noch besser gelungen, denn sie bringt eine ungleich komplexere Biografie mit: Als Managerin einer Hotelkette reist sie regelmäßig durch die ganze Welt, immer auf den Spuren der vermeintlichen Erlebnisse ihres verstorbenen Vaters, dessen Abenteuerromane jedoch ähnlich wie die Bücher Karl Mays ausschließlich daheim entstanden sind. Im Zusammenspiel mit Bojcan erweist sich Fritzi Haberlandt in dem für sie ungewohnten Genre als kongeniale Partnerin, weil sie auch in hochgradig komischen Situationen nicht als Komödiantin, sondern ähnlich sparsam agiert wie Bojcan. Wunderbar ist schon allein die Szene, als Jasmin auf Udo aufmerksam wird und der sich fühlt wie ein Superheld, dessen Tarnung aufgedeckt wird.

###autor###

Schön ist auch der pseudowissenschaftliche Einstieg in den Film, wenn Sehr im Stil einer "Mockumentary", einer gefälschten Dokumentation, das Phänomen der Unsichtbaren erklärt: Im Unterschied zu Woody Allens Zelig, der sich chamäleonartig anpasst, sind sie der "blinde Fleck" der Menschheit. Diese Einführung ist das Vorzeichen für einen ebenso originellen wie amüsanten Film, der nur einen Fehler hat: Er ist viel zu kurz.