Das Rumoren hinter den Berliner Kulissen überrascht nicht, wird doch seit Wochen heftig an den Details im Gesetzentwurf gefeilt. Immerhin: Die Grundidee stößt überwiegend auf Zustimmung der Sozialverbände: Die werdende Mutter muss ihre Identität bei der Niederkunft nicht lüften. Ihre anonymisierten Daten werden zentral erfasst und verwahrt, so dass das Kind nach 16 Jahren seine Herkunft erfahren kann.
###mehr-artikel### Dennoch wird Kritik an den Plänen laut. Vor allem deshalb, weil die rechtswidrigen, über die Jahre geduldeten Babyklappen bestehen bleiben und auch anonyme Geburten in Kliniken weiter möglich sind. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass der seit Jahren heftige Meinungsstreit über die anonyme Kindesabgabe schlagartig enden wird. Die heikle Abwägung zweier zentraler Rechtsgüter besteht fort: Ist die Lebensrettung eines Neugeborenen, das dem sicheren Tod per Babyklappe entgeht, höher anzusiedeln als das im Grundgesetz geschützte Recht des Säuglings auf Kenntnis seiner Abstammung?
Schätzungen zufolge werden hierzulande Jahr für Jahr zwischen 20 und 40 Kinder ausgesetzt oder direkt nach der Geburt getötet. Dazu kommt Experten zufolge eine erhebliche Dunkelziffer.
Kind kann Umschlag über Abstammung mit 16 öffnen
Babyklappen sollten ab 1999 dazu beitragen, diese Zahl zu senken. Heute gibt es rund 100 solcher Angebote, meist in kirchlicher Trägerschaft, und etwa 130 Kliniken, die die anonyme Geburt anbieten. Das soll zunächst auch so bleiben, doch hofft Ministerin Schröder, dass sich die vertrauliche Geburt als transparentes Verfahren auf Dauer etabliert und die anderen Hilfen mittelbar überflüssig macht. Nach drei Jahren sollen die Auswirkungen des neuen Gesetzes wissenschaftlich überprüft werden.
Dass nun nach zähem politischen Ringen endlich eine gesetzliche Regelung naht, ist auch dem Deutschen Ethikrat zu verdanken. Der hatte schon 2009 empfohlen, eine vertrauliche Kindesabgabe zu ermöglichen. Allerdings ging das Gremium damals noch einen Schritt weiter: Im Gegenzug sollten anonyme Geburt und Babyklappen aufgegeben werden. Dazu kommt es nicht.
Die vertrauliche Geburt bietet ein sicheres medizinisches Umfeld, das der werdenden Mutter die Möglichkeit gibt, ihre Identität zu verbergen. Nach der Beratung in einer Fachstelle stimmt die Schwangere zu, dass ihre Daten bei der Geburt in der Klinik erfasst, jedoch in einem Umschlag mit Pseudonym versiegelt werden (Herkunftsnachweis). Die Umschläge werden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hinterlegt und ruhen dort in der Regel für 16 Jahre. Erst dann kann das Kind seine Abstammung erfahren.
Ethikratsmitglied kritisiert Vorschlag als "halbherzig"
Der Deutsche Caritasverband und der Sozialdienst katholischer Frauen bezeichneten das Gesetz nach einer Anhörung im Bundestag als guten Kompromiss. Es "berücksichtige angemessen die Rechte der Frau und die des Kindes und schaffe die seit langem dringend notwendige Rechtssicherheit", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Dennoch fordern die Verbände Korrekturen, etwa bei der psychosozialen Beratung, wenn sich die Frau direkt zur Geburt an das Krankenhaus wendet, ohne vorher eine Beratungsstelle aufgesucht zu haben.
###mehr-links### Die Kinderrechtsorganisation terre des hommes sieht in Schröders Vorhaben ebenfalls einen vernünftigen Ansatz. Doch sie kritisiert zugleich, "dass ein Angebot zur vertraulichen Geburt keinen Sinn macht, wenn gleichzeitig die illegalen Angebote von Babyklappen und anonymer Geburt geduldet werden". Das Gesetz sorge dafür, dass das Recht von Kindern auf Kenntnis ihrer Identität weiter verletzt wird: "Das ist inakzeptabel."
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, die Mediziner Christiane Woopen, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Was mich an dem Gesetzentwurf stört, ist die Halbherzigkeit im Umgang mit den anonymen Angeboten. Da hätte ich mir eine kraftvolleres Vorgehen gewünscht."