Frankreichs Lutheraner und Reformierte feiern Zusammenschluss

Frankreichs Lutheraner und Reformierte feiern Zusammenschluss
Evangelische Christen in Frankreich sind eine Minderheit - allerdings mit einer großen Geschichte. Die neue Vereinte Protestantische Kirche von Frankreich (EPU) will sich daher in Zukunft selbstbewusster zu Wort melden.
12.05.2013
epd
Ulrike Koltermann

Die neue Vereinte Protestantische Kirche von Frankreich (EPU) will sich künftig stärker zu gesellschaftspolitischen Fragen äußern. "Protestanten müssen eine neue Form von Kirche leben, sie müssen auf ihre Mitmenschen zugehen und Zeugnis ablegen", sagte der neue Vorsitzende der Vereinten Protestantischen Kirche, Laurent Schlumberger, nach seiner Wahl am Samstag der Nachrichten-Website figaro.fr. Die Zeit sei reif gewesen für den Zusammenschluss der Reformierten und Lutheraner, betonte Schlumberger auf der ersten Synode der neuen Kirche am Himmelfahrts-Wochenende in Lyon. Im Unterschied zur katholischen Bischofskonferenz hatten die protestantischen Kirchen in Frankreich sich bislang aus der heftigen gesellschaftlichen Debatte über Ehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle herausgehalten.

Winzige Minderheit

Die neue Kirche umfasst nach eigenen Angaben zwischen 250.000 und 400.000 Anhänger. Protestanten sind in Frankreich eine winzige Minderheit: insgesamt gibt es schätzungsweise 1,5 Millionen Protestanten, unter ihnen auch Anhänger der evangelikalen Kirchen, die etwa drei Prozent der Bevölkerung ausmachen. Offizielle Statistiken gibt es nicht, da in Frankreich die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft strikt als Privatangelegenheit gilt. "Heute gibt es keine theologischen Unterschiede mehr zwischen Reformierten und Lutheranern, nur noch unterschiedliche Stile", sagte Schlumberger, der seit 2010 Vorsitzender der Reformierten Kirche Frankreichs war. Ein Beispiel sei das Autoritätsverständnis: Während die Reformierten einen kollegialen Führungsstil pflegten, spiele bei den Lutheranern der kirchliche Inspektor - vergleichbar mit einem Bischof - eine wichtige Rolle.

Die Liturgie der Lutheraner sei zudem stärker an die katholische Liturgie angelehnt als die der Reformierten. Diese Unterschiede dürften auch in Zukunft Bestand haben. "Wir werden innerhalb unserer Union zwei Traditionen derselben Kirche lebendig halten", sagte Schlumberger. "Es geht nicht darum, dass die Lutheraner die Reformierten absorbieren oder umgekehrt. Wir wollen uns gegenseitig Gastfreundschaft gewähren." Der Zusammenschluss der beiden Kirchen war nach mehrjähriger Vorbereitung bereits im vergangenen Jahr beschlossen worden. Die Synode in Lyon mit der Wahl des neuen Vorsitzenden war der erste Festakt, an dem auch der französische Innenminister Manuel Valls, Kardinal Philippe Barbarin als Entsandter der katholischen Bischofskonferenz und Vertreter weiterer kirchlicher Institutionen teilgenommen haben.

"Nähe zu den Werten der Republik"

"Dies ist ein wichtiger Moment in der Geschichte unseres Landes", sagte Innenminister Valls. "Die Botschaft des Protestantismus umfasst Toleranz, Offenheit, die Befreiung des Einzelnen und die Erkenntnis seiner selbst. Die Nähe zu den Werten der Republik lässt sich kaum übersehen", betonte Valls in seiner Ansprache. Er bekräftigte zugleich das Prinzip der Laizität, die in Frankreich herrschende strenge Trennung zwischen Kirche und Staat. "Es geht nicht darum, das Religiöse zu leugnen, sondern um eine klare Trennung zwischen Geistlichem und Weltlichem", sagte Valls. Kardinal Barbarin begrüßte die Union der beiden protestantischen Kirchen. Dies erwecke "Neid und Bewunderung" sagte er in Anspielung auf die häufig zähen ökumenischen Gespräche zwischen Katholiken und anderen kirchlichen Gemeinschaften.

Die Verhandlungen zwischen beiden Kirchen hatten sich auch deswegen so lange hingezogen, weil die wesentlich kleinere Gruppe der Lutheraner um ihre Identität fürchtete. Sie machen in der Vereinten Protestantischen Kirche nur etwa zehn Prozent der Mitglieder aus und sind vor allem in Paris und in Montbéliard nahe der Schweizer Grenze vertreten. Der Zusammenschluss der beiden historischen protestantischen Kirchen lässt sich auch als eine Antwort auf den Aufstieg der evangelikalen Kirchen in Frankreich lesen. Diese ziehen durch ihre emotionale Glaubenspraxis viele nach Sinn suchende Menschen an.

Nüchterner Lebensstil

Die Protestanten waren in Frankreich lange eine sehr diskrete Minderheit, die Wert auf innere Spiritualität und einen nüchternen Lebensstil legten - eine Haltung, die sich aus ihrer langen Leidensgeschichte erklärt. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden die Hugenotten - der Begriff geht vermutlich auf den Ausdruck Eidgenossen zurück - in Frankreich hartnäckig verfolgt und vertrieben. Ein Höhepunkt war die Bartholomäusnacht 1572 wenige Tage nach der Hochzeit von Margarete von Valois, der Schwester von König Karl IX., mit dem Protestanten Heinrich von Navarra, in der mehrere Tausend Protestanten ums Leben kamen.