Posaunenklänge und Gebete an der Elbe: Mit vier Freiluftgottesdiensten ist am Mittwoch der 34. Deutsche Evangelische Kirchentag in Hamburg eröffnet worden. Am Rathaus, auf dem Fischmarkt, in der Hafen-City und auf der Reeperbahn kamen nach Veranstalterangaben insgesamt 84.000 Menschen bei sonnigem Frühlingswetter zum Gebet zusammen. Bis Sonntag werden mehr als 116.000 Dauerteilnehmer zu dem alle zwei Jahre stattfindenden Christentreffen erwartet. Mehr als 2.500 Veranstaltungen sind geplant.
Kirsten Fehrs, gastgebende Bischöfin aus Hamburg, forderte in der Hafen-City Ausdauer im Einsatz gegen Gewalt und Ungerechtigkeit in der Welt. In ihrer Predigt im zentralen Eröffnungsgottesdienst beklagte sie in sogenannter leichter Sprache "soviel Bomben. Soviel Gezocke. Soviel Gewissenlosigkeit. Soviel - was kein Mensch braucht." Auch in Deutschland werde Menschen Gewalt angetan, indem sie in Armut leben müssten.
"Steuerflucht muss aufhören"
Schon vor der Eröffnung formulierten die Organisatoren des Christentreffens politische Botschaften. "Steuerflucht muss aufhören", sagt Kirchentagspräsident Gerhard Robbers. Er wandte sich gegen die Einschätzung, der evangelische Kirchentag sei im Vergleich zu früheren Jahren unpolitisch geworden: "Politischer als beim Kirchentag können Diskussionen kaum sein", sagte der Trierer Verfassungsrechtler, der dem Protestantentreffen in diesem Jahr als Präsident vorsteht. Doch wünsche er sich als Ziel der Debatten die Suche nach Konsens. Die Gesellschaft brauche neue Konsense, im Zusammenleben der Religionen und Kulturen, in der Wirtschaft und in der Entwicklung Europas.
Im Anschluss an die Eröffnungsgottesdienst sollte Bundespräsident Joachim Gauck Worte zur Begrüßung sprechen. Zum Straßenfest "Abend der Begegnung" wurden bis zu 300.000 Gäste in der Innenstadt erwartet.
Die Hamburger Pastorin Anne Gidion rief die Protestanten auf dem Rathausmarkt dazu auf, in ihrer Kirche mitzugestalten. "Gott geht mit seinen Leuten einen Bund ein. Er tut seinen Teil. Aber jetzt seid Ihr dran", sagte die Leiterin des Gottesdienstinstituts der Nordkirche. Sie appellierte an die Besucher, beim Kirchentag neue Impulse für die Gestaltung der Kirche zu setzen.
Verantwortungsvolles Wirtschaften, Inklusion und interreligiöser Dialog
Themenschwerpunkte des Kirchentages sind verantwortungsvolles Wirtschaften, Inklusion und interreligiöser Dialog. Leitwort des Kirchentages ist das biblische Motto "Soviel du brauchst".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte das Engagement der Teilnehmer. "Mich beeindruckt immer wieder, mit welcher Ernsthaftigkeit und Freude Menschen bei Kirchentagen gemeinsam diskutieren und beten", sagte die Protestantin dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstagsausgabe). Die Atmosphäre der Offenheit und Toleranz sei vorbildlich. Merkel wird für Freitag auf dem Kirchentag erwartet, um mit der Leiterin des UN-Entwicklungsprogramms, Helen Clark, bei einer Diskussionsrunde über Schöpfung in der globalisierten Welt aufzutreten.
Vor Beginn des Kirchentages am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, suchten die Veranstalter bei einer gemeinsamen Veranstaltung den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Hamburgs Bischöfin Fehrs sprach sich für Mindestlöhne und ein Ende des Lohndumpings aus. Mit Blick auf die Kirchentagslosung "Soviel du brauchst" sagte sie, diese lasse sich "ganz konkret beziehen auf wirklich auskömmliche Einkommen, mit denen Männer und Frauen ihre Existenz sichern und eine Familie versorgen können". Die Gesellschaft brauche dringend eine Schranke gegen Lohndumping, Tarifflucht und Niedriglohnkonkurrenz.
Wenige Stunden vor den abendlichen Eröffnungsgottesdiensten begrüßte Pilgerpastor Bernd Lohse Ruderer, Fuß- und Radpilger bei strahlendem Sonnenschein am Ufer der Binnenalster. Erstmals waren Pilger mit dem Ruderboot angereist. Der Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch erinnerte beim "Gedenken zum Beginn" des Kirchentages auf dem Lohseplatz in der neuen Hafen-City an die Menschen, die in der NS-Zeit durch Polizisten der Hansestadt getötet wurden. Hamburger Polizeibataillone hätten vor allem in Polen als Teil der Wehrmacht Tausende Menschen ermordet, sagte Kopitzsch. Es sei Wunsch und Wille der Polizei, dieses Erbe anzunehmen und sich der eigenen Vergangenheit zu stellen.