TV-Tipp: "Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen" (NDR)

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TV-Tipp: "Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen" (NDR)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen", 13. April, 20.15 Uhr im NDR
"Man öffnet eine Klappe, und dahinter tut sich ein Abgrund hinter der bürgerlichen Fassade auf": Dieser Satz von Regisseur Roland Suso Richter trifft exakt den Kern dieses lange Zeit völlig undurchsichtigen Krimis aus Niedersachsen, in dem praktisch alle Figuren ein wenig neben der Spur sind.

Das lässt die Geschichte zunächst skurril wirken, doch mit zunehmender Dauer entpuppt sich als gefährlich, was anfangs noch amüsant erscheint; bis man irgendwann angesichts des Abgrunds erschaudert. Die Beschreibung Richters, sonst Regisseur von "Event"-Filmen wie "Dresden" oder "Mogadischu", ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Geschickt kombiniert das Drehbuch (Ulrike Molsen, Eoin Moore) kriminalistisches Gespür mit praktischer Recherchearbeit: Nach der Ermordung eines scheinbar völlig unbescholtenen Zeitgenossen steht Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) vor einem Rätsel. Der Mann hat vor einigen Jahren sein Leben komplett geändert, er ist "unter den Radar getaucht", wie es Lindholms Kollegin Sigrid Malchus (Inka Friedrich) formuliert. Die LKA-Kommissarin sucht im Zentralarchiv zwar nach Verbrechen aus jener Zeit, doch die Fakten ergeben erst später ein schlüssiges Bild.

Als sie schließlich in den Abgrund blickt, wird ihr fast schlecht angesichts des Grauens, das die Fantasie umgehend produziert; natürlich auch im Kopf des Zuschauers. Die Klappe, die sie öffnet, ist die Tür eines Ofens in einer abgelegenen Gartenlaube. Dahinter verbirgt sich bunkerähnliches Verlies, in dem der Mann offenbar jahrelang ein Mädchen eingesperrt hat. Durch Zufall entdeckt Lindholm, dass noch weitere Kinder dieses grausige Schicksal geteilt haben.

Die Hauptfiguren verlieren die Balance

Natürlich orientiert sich die Handlung an den Erlebnissen von Natascha Kampusch, doch diese Geschichte erzählt der Film eher am Rande. Zentrale Figur ist die Ermittlerin, und während das Privatleben gerade der Sonntagskommissare oft unschlüssig und mitunter gar lieblos nebenher plätschert, hat es hier konkrete Folgen: Im "Tatort" zuvor hatte sich Lindholm in den ebenso smarten wie attraktiven Journalisten Jan Liebermann (Benjamin Sadler) verliebt, und der geht ihr nicht mehr aus dem Kopf.

Warum der Mann nicht zu fassen ist und sie offenkundig belügt, lässt das Drehbuch offen. Jedenfalls hat sein Verhalten zur Folge, dass Lindholm nicht immer bei der Sache ist und mal ihr Telefon, mal ihren Dienstausweis vergisst. Um so reizvoller ist die Kombination mit der Kollegin, die Richter fast als Gegenspielerin inszeniert: Inka Friedrich verkörpert die Landpolizistin, der die Kommissarin aus Hannover auf Anhieb unsympathisch ist, mit signalroten Stöckelschuhen und Schlitz im Rock an der Grenze zur Femme fatale. Ähnlich auffällig im Ensemble ist allein Janina Stopper als junge Frau, deren düsteres Geheimnis am Ende zur Auflösung der Geschichte führt

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Um seine Hauptdarstellerin buchstäblich wie auch im übertragenen Sinn aus der Balance zu bringen, hat Richter zu einem ungewöhnlich Mittel gegriffen: Die Schauspieler hatten keine Ahnung, dass sich das im Studio gebaute Verlies leicht neigen ließ. Prompt spielte ihnen der Gleichgewichtssinn in dem fensterlosen geschlossenen Raum einen Streich. Kein Wunder, dass die Szene, als sich Lindholm unfreiwillig selbst einschließt, äußerst überzeugend wirkt. Richters simpler Trick ist durchaus treffend für diesen optisch fast unspektakulären Krimi, der sich vor allem im Kopf des Zuschauers abspielt.