Die erste Begegnung macht Hoffnung auf ein Auffrischen der Ökumene: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, scheint sich mit dem neuen Papst Franziskus gut zu verstehen. Es sei eine "Begegnung von Herz zu Herz" gewesen, sagte Schneider am Montag nach seiner rund halbstündigen Privataudienz im Vatikan. Man habe sich nicht nur intellektuell ausgetauscht. Franziskus habe "unterstrichen, wie wichtig es ihm ist, dass wir als Kirchen den Weg des Glaubenszeugnisses in dieser Welt gemeinsam gehen, dass für uns beide bei allen eigenen Identitäten Christus in der Mitte steht".
###mehr-artikel###Das vielleicht wichtigste Ergebnis des Gesprächs: Schneider lud Franziskus ein, das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam zu feiern. Wie der Papst indes auf das Angebot reagierte, wurde zunächst nicht bekannt. Aus dem Vatikan war bislang zu hören, dass das Jubiläum allenfalls Anlass zum Gedenken, nicht jedoch zum Feiern gebe, da die Reformation Religionskriege und Kirchenspaltungen nach sich gezogen habe. Für den EKD-Ratsvorsitzenden geht es bei dem Jubiläum aber nicht um ein "deutsches Jubelfest". Vielmehr solle es daran erinnern, dass Martin Luther mit seinem Thesenanschlag 1517 den Anstoß gab, Christus und die biblischen Schriften wieder in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens zu stellen.
Wie Vatikansprecher Federico Lombardi mitteilte, war das Gespräch von einem herzlichen Klima gekennzeichnet. Franziskus bekräftigte den Angaben zufolge das ökumenische Engagement der katholischen Kirche. Das Treffen war die erste Privataudienz für einen deutschen Besucher bei dem neugewählten Papst in Rom. Auch Schneiders Ehefrau Anne nahm teil. Bei seiner viertägigen Romvisite hatte Schneider kurz zuvor mit dem Ökumeneminister des Vatikan, dem Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, Vereinbarungen darüber getroffen, wie das Reformationsjubiläum 2017 auch in Rom mit Ausstellungen und Konzerten für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden kann.
"Er kennt die Armen und ihre Lebenssorgen"
Der EKD-Ratsvorsitzende zog nach dem Treffen mit dem Papst eine sehr positive Bilanz. Nicht zwei hauptberufliche Theologen, sondern zwei Männer, denen pastorale Fragen besonders wichtig sind, begegneten sich nach Einschätzung des EKD-Ratsvorsitzenden. Als Mann, der die Armen und ihre Lebenssorgen kennt, werde Franziskus auch die Nöte der gemischt konfessionellen Familien beachten, glaubt Schneider. Der Argentinier sei "ein Papst, der bereit ist Fenster und Türen zu öffnen, um neue Wege zu gehen."
Franziskus' Vorgänger, der deutsche Papst Benedikt XVI., schien aus protestantischer Sicht eher die Fenster und Türen zu verschließen. Schneider war mit Benedikt 2011 im Erfurter Augustinerkloster zusammengetroffen. Das Treffen war damals eher als ökumenische Geste, aber nicht als wirklicher Erfolg gewertet worden. Doch Benedikts überraschenden Rücktritt aus Altergründen wertete Schneider jetzt, nach der Audienz, noch einmal als positives Signal.
"Wir konnten brüderlich auf Augenhöhe reden"
Das im Jahr 2000 veröffentlichte Vatikan-Papier "Dominus Iesus", in dem protestantische Kirchen von Rom als zweitrangig abgewertet wurden, gilt im Protestantismus immer noch als offenen Wunde. Die Begegnung zwischen Schneider und Franziskus könnte jetzt eine heilende Wirkung entfalten. "Dass wir brüderlich auf Augenhöhe mit einander reden konnten, in einer durch die Persönlichkeit bedingt ganz anderen Tonalität, habe ich genossen", sagte der rund 24 Millionen Protestanten in Deutschland repräsentierende EKD-Ratsvorsitzende begeistert.
Die Begegnung zwischen Franziskus und ihm sei mit einem gemeinsamen Vaterunser beendet worden, fügte Schneider hinzu: "Wir haben uns mit dem Wort Bruder verabschiedet. Es war eine wirklich brüderliche herzliche Begegnung, und ich habe den Eindruck, dass wir uns wirklich verstanden haben." In dem Gespräch kam auch die Rolle der christlichen Märtyrer für beide Konfessionen zur Sprache, hieß es weiter. Beide Seiten hätten dabei an die Blutzeugen des Nationalsozialismus erinnert, die für ihren Glauben in den Tod gingen.
Papst las als Student Bonhoeffer
Koch, der den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen leitet, äußerte nach der Audienz die Einschätzung, dass es unter dem neuen Papst zu konkreten Schritten in der Ökumene kommen werde. Aus der Begegnung habe er zudem den Eindruck gewonnen, dass der Papst die Reformation besser kenne als bislang angenommen, fügte Koch hinzu. Franziskus habe im Gespräch mit Schneider erwähnt, dass er während seines Studiums die Schriften des protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer gelesen habe.
Schneider ist sich allerdings bewusst, dass Franziskus nicht alle Erwartungen erfüllen kann: "Die Welt und die Ökumene fängt nicht neu an." Der Eindruck, auf Augenhöhe und nicht als Vertreter einer "kirchlichen Gemeinschaft" mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche mit mehr als einer Milliarde Christen gesprochen zu haben, wird jedenfalls bleiben.
Dienstag: Treffen mit Erzbischof Müller
Zum Abschluss der viertägigen Romvisite Schneiders ist an diesem Dienstag ein Treffen mit dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, geplant. Müller war zuvor Bischof von Regensburg. Eine Papstaudienz des EKD-Ratsvorsitzenden war bereits während der Amtszeit von Benedikt XVI. verabredet gewesen. Nach dessen Rücktritt ließ sein im März gewählter Nachfolger den Termin bestätigen.