Von seiner Lehre her sei Franziskus "sicher einer der Konservativeren, ohne verhärtet zu sein". Bei Themen wie der Wiederverheiratung Geschiedener und der Frauenordination werde es keine weitere Bewegung geben.
Die Papstwahl sei vor allem ein klares Votum für eine Kirche der Armen, sagte Müller, der dem Münsteraner Exzellenzcluster "Religion und Politik" angehört. Bereits als Erzbischof in Argentinien habe sich Kardinal Bergoglio immer für die armen und randständigen Menschen eingesetzt. Er sei jedoch kein Befreiungstheologe. Die Namenswahl Franziskus sei auch ein Signal für interkonfessionellen und interreligiösen Dialog, ergänzte der katholische Theologieprofessor. Der Heilige Franziskus sei eine Figur, die selbst im Islam eine hohe Wertschätzung habe.
Nach Müllers Einschätzung war auch ausschlaggebend für die Wahl Bergoglios, dass er kein Mitglied der Kurie ist. Die Kurienkardinäle hätten nach den Skandalen um die Vatikanbank und "Vatileaks" keine Unterstützung mehr gehabt. Ob der 76-jährige Papst jedoch die drängenden Probleme lösen könne, müsse sich erst noch herausstellen.
Als überraschend bezeichnete es der Theologieprofessor, dass mit Bergoglio erstmals ein Jesuit auf dem Stuhl Petri sitzt. Lange Zeit, besonders unter Papst Johannes Paul II. von 1978 bis 2005, seien die Jesuiten von sehr konservativen Gruppen wie Opus Dei verdrängt worden. "Das ist ein klares Votum, auch diesen eher offenen, nach vorne gewandten Orden wieder zu stärken", sagte Müller.