Sie hatten sich während Ihrer Amtszeit als Bischöfin der evangelischen Landeskirche bereits vor acht Jahren für die Rückkehr Gazale Salames beim niedersächsischen Innenministerium eingesetzt. Haben Sie damit gerechnet, dass es so lange dauern würde, bis die Familie wieder vereint ist?
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Margot Käßmann: Damals war ich sehr verzagt. Das Recht unseres Landes, das ich so schätze, hat nur Härte gezeigt. Der damalige Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erklärte auf mein Plädoyer für die Familie hin, Gazale Salames Ehemann und seine Töchter könnten ja in die Türkei reisen, wenn die Familie zusammen sein wolle. Dabei war klar, dass die Familie dann nicht nach Deutschland zurückgekonnt hätte.
Ich bin voller Bewunderung für die Menschen, die damals nicht aufgegeben haben, sondern über so viele Jahre hinweg engagiert für die Menschlichkeit eingetreten sind. Ich finde, Niedersachsen kann heute stolz auf alle Unterstützer sein.
Was wünschen Sie Gazale Salame und ihren Angehörigen?
Käßmann: Ich wünsche ihnen erst einmal Ruhe. Zudem Zeit je für sich, Geduld miteinander, Raum, den Schmerz und das Trauma zu benennen und dann nach Wegen in die Zukunft zu suchen.
Sie argumentieren mit Blick auf Abschiebungen oft, dass es eine biblische Verpflichtung gibt, die Situation jedes Menschen genau zu prüfen. Was kann der Einzelne tun, um dieser Verantwortung gerecht zu werden?
Käßmann: Hinsehen! "Den Nächsten lieben wie dich selbst", das heißt doch, auf die anderen zu achten, zu fragen, wie es ihnen geht, zuzuhören, statt Menschen, die in unser Land kommen, als Bedrohung für unseren Wohlstand zu sehen. Das fängt schon bei der Frage an, wie wir über andere reden.
Jeder sollte sich fragen, warum Flüchtlinge ohne Möglichkeiten zum Erlernen der Sprache weit entfernt von den Zentren untergebracht werden, abgespeist mit maximal Hartz IV, wenn sie Glück haben. Statt die kreative Energie von Menschen mit Mut zum Aufbruch zu nutzen, lassen wir sie abstumpfen in jahrelangen Prozessen um ihre Aufenthaltsgenehmigung oder Abschiebung.