"Das Durchschnittsalter der Berechtigten liegt mittlerweile bei 85 Jahren, und jeden Tag wird der Kreis der möglichen Empfänger kleiner und kleiner", appellierte Zentralrats-Präsident Dieter Graumann am Freitag in Berlin. Im Bundestag wird derzeit darum gerungen, wie Holocaust-Überlebenden, die Arbeit in einem Ghetto verrichteten und dafür bislang keine Rente erhalten haben, endlich an die Leistungen kommen.
Betroffen sind nach Schätzungen mehr als 20.000 NS-Opfer. Bei der von ihnen verrichteten Arbeit geht es nicht um Zwangsarbeit, sondern um Beschäftigung, für die auch Lohn gezahlt wurde. Der Bundestag hat 2002 die Rentenzahlung für Arbeit im Ghetto, die "aus eigenem Willensentschluss" und gegen Lohn erfolgte, möglich gemacht.
Jeder Tag des Wartens ist einer zu viel
Von einer Auszahlung profitierten aber nur wenige, weil die Rentenversicherung oft Bedenken daran hatte, dass es sich nicht doch um Zwangsarbeit handelte, und viele Anträge ablehnte. 2009 entschied das Bundessozialgericht, die Regelung großzügiger auszulegen.
Danach zeigte sich ein neues Problem: Die vom Bundestag beschlossene rückwirkende Zahlung der Renten bis 1997 ließ sich nicht realisieren, weil laut Sozialrecht Leistungen nur maximal vier Jahre rückwirkend gezahlt werden können. Die Betroffenen erhielten die Zahlungen also erst ab 2005. Um dem ursprünglichen Gesetz gerecht zu werden wird nun im Sozialausschuss des Bundestags verhandelt, bisher ohne Ergebnis.
"Die Politik sollte gar nicht den sicherlich falschen und fatalen Eindruck entstehen lassen, hier auf Zeit zu spielen und sozusagen eine schreckliche Wette mit dem Tod einzugehen", appellierte Graumann. Es sei nicht die Zeit für "kleinliches Rechnen". Mit den Zahlungen wäre auch die Anerkennung des unendlichen Leids der Betroffenen während der NS-Zeit verbunden. Deutschland stehe moralisch in der Pflicht. "Jeder einzelne Tag des weiteren Zuwartens ist einer zu viel", sagte Graumann.