Filmkritik: "Hänsel und Gretel: Hexenjäger"

Foto: dpa/Paramount
Filmkritik: "Hänsel und Gretel: Hexenjäger"
Zuviel Zucker rächt sich: In Tommy Wirkolas "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" sind Hexen ausgewachsene Latexmonster mit Kampfkunstausbildung, die sich nicht so einfach in den Ofen schubsen lassen. Da braucht es schon actionerfahrene Stars wie Jeremy Renner ("Das Bourne Vermächtnis") und Gemma Arterton ("Prince of Persia: Der Sand der Zeit"), um mit ihnen fertig zu werden.
27.02.2013
epd
Jörg Buttgereit

Dass sich aus den wenig zimperlichen Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm wunderbar blutige Horror-Fantasyfilme machen lassen, haben Neil Jordan1984 mit seiner Rotkäppchen-Adaption "Die Zeit der Wölfe" und kürzlich auch "Twilight"-Regisseurin Catherine Hardwicke mit "Red Riding Hood" eindrücklich bewiesen. Jetzt torpediert der norwegische Filmemacher Tommy Wirkola mit einer actionbetonten 3D-Adaption von "Hänsel und Gretel" die kollektive Kindheitserinnerung. Hänsel im Film: "Meine Schwester und ich, wir haben schon einiges erlebt. Wir wären fast umgebracht worden. Durch die Hand einer Hexe! Aber das hat uns nur noch stärker gemacht. Wir sind auf den Geschmack von Blut gekommen. Hexenblut!"

"Hänsel und Gretel: Hexenjäger" ist das Hollywooddebüt des Norwegers Wirkola, der 2009 mit der Nazi-Zombie-Persiflage "Dead Snow" Genrefans beglückte. Musste er bei dem in seiner Heimat produzierten Horrorspaß noch mit einem überschaubaren Budget von umgerechnet 800 000 US-Dollar auskommen, so stand ihm für seine mit Jeremy Renner und Gemma Arterton recht prominent besetzte Neuversion des Grimm-Märchens die stattliche Summe von 60 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Was aber nicht bedeutet, dass der Film in den USA entstanden ist. Gedreht wurde vielmehr stilecht im deutschen Wald und den Babelsberger Studios in Potsdam bei Berlin.

Hänsel und Gretel, die 15 Jahre nach den allen bekannten traumatischen Geschehnissen im Hexenhaus wohlauf und immun gegen Hexenflüche sind, haben ihr Schicksal zum Beruf gemacht und jagen mit Armbrust und abgesägter Schrotflinte böse Hexen. Nur Hänsel hat damals etwas zu viel Süßigkeiten vom Hexenhaus geknuspert und ist nun Diabetiker. Der Bürgermeister von Augsburg beauftragt die kampferprobten Kopfgeldjäger, seine Stadt von der Oberhexe Muriel (Famke Janssen) zu befreien. Die plant nämlich, entführte Kinder in der Blutmondnacht bei einer Hexenversammlung rituell zu opfern.

Ausgewachsene Latexmonster mit Kampfkunstausbildung

Die vielen fiesen Hexen, gegen die das schwerbewaffnete Geschwisterpaar hier antreten muss, haben nichts Märchenhaftes mehr. Es sind ausgewachsene Latexmonster mit Kampfkunstausbildung, die sich nicht so einfach in den Ofen schubsen lassen. Doch Wirkolas rasanter Frontalangriff auf die Sinne der Zuschauer bleibt streckenweise wirkungslos.

Das Splattermärchen nimmt sich keine Zeit, seine Figuren zu charakterisieren. Etwas mehr Liebe zum Sujet, wie man es beispielsweise von Tim Burton ("Alice im Wunderland") gewohnt ist, hätte der Märchenadaption gut getan. So bleibt einem nichts weiter übrig, als dem 83-minütigen Schnittgewitter aus Kampfchoreographien und purzelnden Hexenköpfen zuzuschauen. Als emotionales Highlight kristallisiert sich der einfältige Troll Edward aus dem Gemetzel heraus. Der schön altmodisch, nämlich mechanisch animierte Troll zermatscht mit seinen riesigen Füßen die Köpfe der Bösen und wird nach der finalen Schlacht ins Hexenjägerteam aufgenommen.

Deutschland, USA 2013. Regie: Tommy Wirkola. Buch: Dante Harper, Tommy Wirkola. Mit: Jeremy Renner, Gemma Arterton, Famke Janssen, Peter Stormare. L: 83 Minuten. FSK: ab 16, ff.