Es mache ihm Sorge, wenn die Rolle Deutschlands bei einigen Ländern augenblicklich Skepsis und Misstrauen hervorrufe, sagte der Bundespräsident. Er versichere jedoch den Nachbarn, dass kein politischer Gestalter in Deutschland ein "deutsches Diktat" anstrebe. Die deutsche Gesellschaft habe sich bis jetzt "rational und reif" verhalten, unterstrich er.
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Gauck sprach im Berliner Schloss Bellevue vor rund 200 geladenen Gästen aus Politik, Kultur, Kirchen und Wirtschaft. Er eröffnete mit seiner Europa-Rede das Bellevue Forum, in dessen Rahmen künftig auf Einladung des Bundespräsidialamts über wichtige gesellschaftliche Themen debattiert werden soll. Das Bellevue Forum löst die traditionelle Berliner Rede ab, wie sie frühere Bundespräsidenten und von ihnen eingeladene Gäste gehalten hatten.
Unter dem Applaus des Publikums wandte sich Gauck an die Bürger Großbritanniens: "Wir möchten Euch weiter dabeihaben", rief er. "Ihr habt mit Eurem Einsatz im Zweiten Weltkrieg geholfen, unser Europa zu retten - es ist auch Euer Europa." Der britische Premierminister David Cameron will in seinem Land nach den Wahlen 2015 ein EU-Referendum abhalten lassen.
Gaucks Vorschlag: Ein Europa-Fernsehsender
Gauck nannte es einen Konstruktionsfehler, dass zwar 17 Staaten den Euro einführten, eine "durchgreifende finanzpolitische Steuerung" aber ausgeblieben sei. "Dieser Konstruktionsfehler hat die Europäische Union in eine Schieflage gebracht, die erst durch Rettungsmaßnahmen wie den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt notdürftig korrigiert wurden", sagte der Bundespräsident
Der Bundespräsident schlug vor, mehr Kommunikation über und mit Europa zu schaffen, etwa mit Hilfe eines neuen Fernsehkanals. "Dort müsste mehr gesendet werden als der Eurovision Song Contest oder ein europäischer Tatort. Es müsste zum Beispiel Reportagen geben über Firmengründer in Polen, junge Arbeitslose in Spanien oder Familienförderung in Dänemark. Es müsste Diskussionsrunden geben, die uns die Befindlichkeiten der Nachbarn vor Augen führen", sagte er.
Die Bürger sollten gegenüber Europa nicht gleichgültig oder bequem sein, mahnte Gauck: Es gelte, die eigene Gestaltungskraft zu erkennen: "Ein besseres Europa entsteht nicht, wenn wir die Verantwortung dafür immer nur bei anderen sehen." Es gebe zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligung: die Europäische Bürgerinitiative etwa oder den Europäischen Freiwilligendienst.