Sein wichtigstes Haustier war ein "gefräßiger Papierkorb". Wie viele Geschichten darin ihr Ende fanden, konnte Otfried Preußler irgendwann nicht mehr sagen. Er hat die zerknüllten Manuskripte nie gerettet. Doch manchmal tat es seine Frau - und bescherte dem Schriftsteller damit gar einen seiner größten Erfolge: Das 1971 erschienene Jugendbuch "Krabat" verkaufte sich mehr als zwei Millionen Mal, wurde in über 30 Sprachen übersetzt und mit Auszeichnungen überhäuft, sogar bis auf die Kinoleinwand hat es "Krabat" geschafft. Am Montag ist der Autor im Alter von 89 Jahren in Prien am Chiemsee verstorben, wie der Thienemann Verlag am Mittwoch in Stuttgart mitteilte.
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Zehn Jahre hat der Schriftsteller an seinem wohl düstersten Märchen gearbeitet. Die sorbische Volkssage um den Zauberlehrling Krabat und die schwarze Mühle faszinierten ihn schon im Alter von elf Jahren. Immer wieder habe er sich die geheimnisvolle Geschichte aus der Bibliothek seines Vaters geholt, einem Lehrer und Heimatforscher in der nordböhmischen Kleinstadt Reichenberg, dem heutigen Liberec in Tschechien. Hier wurde Preußler am 20. Oktober 1923 auch geboren.
Mit Sagen und Märchen ist der Schriftsteller groß geworden. Sein Vater und vor allem seine Großmutter bezeichnete er gerne als "lebendes Geschichtenbuch". Von ihnen, so glaubte der Autor, hat er das Talent als Erzähler geerbt. In seiner Kindheit bestand sein Publikum aus Freunden und Klassenkameraden, nach dem Krieg und der sowjetischen Kriegsgefangenschaft aus seinen Schülern in Rosenheim, die er bis 1970 als Grundschullehrer unterrichtete. "Meine Erzähl-Leidenschaft hat mir geholfen, eine Klasse von 52 Schülern zu bändigen", sagte Preußler, der bis zuletzt in Oberbayern gelebt hat.
Verlag lässt Manuskript liegen
Zu Hause schrieb er die Geschichten auf, die seiner Klasse und seinen drei Töchtern gut gefallen hatten. Als er Anfang der 1950er Jahre für die Veröffentlichung seines ersten Buches einen Verlag suchte, teilte ihm der erste mit, er solle lieber Umweltbücher schreiben, der zweite ließ das Manuskript neun Monate lang liegen. 1956 erschien endlich "Der kleine Wassermann". Die Geschichten von der Wassermannfamilie, dem Karpfen Cyprinus und all den anderen Wasserwesen auf dem Grund des Mühlenweihers wurden auf Anhieb ein Erfolg. Preußler erhielt dafür den Deutschen Kinderbuchpreis.
Otfried Preußler. Foto: dpa
Ein Jahr später veröffentlichte er "Die kleine Hexe", die bis heute zu den meist gespielten Stücken des deutschen Kindertheaters gehört. Die Idee dazu lieferten seine drei Töchter. Sie wollten eine genaue Erklärung zu Preußlers Behauptung, dass es heutzutage nur noch gute Hexen gebe. Den Durchbruch als Schriftsteller erlebte der Lehrer schließlich 1962 mit dem "Räuber Hotzenplotz" - einem Buch, das kaum entstanden wäre, hätte Preußler sich mit den Arbeiten am "Krabat" nicht so schwer getan. "Ich musste die Arbeit einstellen, hielt den Krabat für gescheitert - und schrieb aus lauter Verzweiflung darüber den Räuber Hotzenplotz."
In 50 Sprachen übersetzt
Über 30 Bücher hat er veröffentlicht. Sie wurden weltweit rund 50 Millionen Mal verkauft, in mehr als 50 Sprachen übersetzt und zu unzähligen Hörspielen und Filmen gemacht. Die Vermarktungsstrategien und Werbekampagnen für die Kinderhelden unserer Tage waren Preußler fremd. Seine Fantasiewelten haben mit den gefährlichen Abenteuern Harry Potters und der Gefährten aus "Herr der Ringe" wenig gemeinsam. Zwar wird auch in seinen Geschichten gezaubert, gekämpft, gelitten und gelacht. Aber immer nimmt es ein gutes Ende.
Neben zahlreichen Auszeichnungen hat Preußler sich aber auch Kritik eingehandelt: Seine Bücher seien zu unkritisch und zu altmodisch für die Kinder des 21. Jahrhunderts, meinen einige. Preußler wies dies stets zurück: "Kinder sind in erster Linie Kinder. Auch wenn heute von allen möglichen Seiten versucht wird, ihnen die Kindheit zu nehmen, indem man sie allzu früh mit den unbewältigten Problemen der Erwachsenen konfrontiert."
Zuletzt stand sein Buch "Die kleine Hexe" in der Diskussion, da Preußler darin aus heutiger Sicht diskriminierende Begriffe verwendet hatte, wie etwa "Neger" oder "Negerlein". Künftig kommt das Kinderbuch politisch-korrekt daher, der Thienemann Verlag hatte im Januar angekündigt, die Begriffe zu streichen. Preußler wehrte sich zwar dagegen, doch am Wichtigsten war ihm ohnehin immer der Zuspruch der Kinder. Denn die seien für ihn "das beste und strengste Publikum".