Prinz Harry macht es sich zu einfach

Prinz Harry
Foto: action press/REX FEATURES LTD.
Der britische Prinz Harry bei einer Erinnerungsfeier an gefallene Soldaten 2010 in Wiltshire. Seine Interviews nach der Rückkehr aus Afghanistan sorgen für Diskussionen.
Prinz Harry macht es sich zu einfach
Der königliche Kampfpilot und das Fünfte Gebot
Harry, Prince of Wales, erschießt von Bord eines Kampfhubschraubers Menschen. Es sind "Feinde ihrer Majestät", wie es ein englischer Kommentator im konservativen "Telegraph" formulierte, mutmaßliche Taliban oder einfach die, "die unseren Jungs was Böses antun", wie Harry es selbst formulierte. Aber es sind auch Menschen. Wie lässt sich das mit dem Gebot "Du sollst nicht töten" vereinbaren?
23.01.2013
evangelisch.de

Vier Monate war Prinz Harry in Afghanistan als Hubschrauberpilot im Einsatz, flog Eskorten für die Hubschrauber, die verletzte Soldaten zurück ins Lager brachten und unterstützte britische und amerikanische Truppen bei ihren Einsätzen. Im Cockpit seines Apache-Helikopters saß er am Abzug der Bordwaffen. Dass er dabei auch Menschen tötete, gab er in den Interviews während seines Einsatzes unumwunden zu.

"Du sollst nicht töten", steht im 2. Buch Mose, als eines von Gottes Geboten. Im großen Katechismus legt Luther es so aus: "So steht nun dies Gebot darauf, dass man niemand ein Leid tue um irgendeines bösen Stückes willen, ob ers gleich höchlich verdient." Allerdings nimmt Luther hiervon sowohl Gott als auch "die Obrigkeit" explizit aus.

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Prinz Harry war in Afghanistan nicht nur Soldat im Auftrag der Obrigkeit, sondern ist auch noch von Geburt an Teil dieser Obrigkeit – säße er je auf dem britischen Thron, wäre er sogar Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Seine "Kriegs-Beichte", wie die "Bild"-Zeitung es nannte, wird daher ganz unterschiedlich diskutiert. Im englischen "Guardian" heißt der Prinz jetzt "Killer Captain";  kritisiert wird dort nicht nur, dass der Prinz seine königliche Verantwortung offenbar ablehnt, sondern auch seine nonchalante Herangehensweise an den Krieg. Im Gegenzug betont der "Telegraph", dass das Töten auf Befehl eine "komplexe und schwer durchschaubare moralische Angelegenheit" sei und die Soldaten selbst dafür nicht kritisiert werden sollten.

"Das Töten eines Menschen behaftet uns mit Schuld"

Ein Leben zu nehmen, um ein anderes zu retten – mit dieser einfachen Gleichung beschrieb Prinz Harry, warum auch er wie viele andere Soldaten zu tödlicher Gewalt griff. Entschuldigen könne dies nicht, sagt der evangelische Militärseelsorger Stefan Jurkiewicz. Auch wenn der Einsatz tödlicher Gewalt im Krieg durch das Völkerrecht gedeckt ist, in Deutschland auch durch den Auftrag, den das Parlament der Armee mitgibt: "Dieser rechtliche Rahmen reicht nicht, um die moralische Verantwortung in Gänze abzuarbeiten."

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Militärdekan Jurkiewicz erinnert an Oberst Klein, inzwischen General, der im September 2009 für das Bombardement zweier Tanklaster in Kundus verantwortlich war. Nachdem er den Befehl erteilt hatte, ging der katholische Oberst in die Kapelle und betete. Für Jurkiewicz ein Signal, dass das Tötungstabu "auch bei einem Offizier real und virulent ist, der so einen Befehl gegeben hat". Vor dem Gesetz wurde Klein freigesprochen, mit seinem Gewissen muss er dennoch leben.

Und so kann sich Seelsorger Jurkiewicz mit Prinz Harrys einfacher Gleichung auch nicht anfreunden. "Es kann sein, dass man Böses anwenden muss, um ein größeres Böses zu verhindern, und dennoch bleibt man nicht schuldfrei. Das Töten eines Menschen behaftet uns mit Schuld", erklärt er die Position der evangelischen Militärseelsorge. Er und seine Kollegen stehen den Soldaten, die sie betreuen, trotzdem zur Seite: "Wir lassen die Menschen, die sich in ihrer Pflichterfüllung mit dieser Schuld und mit dieser Gewissenslast belastet haben, nicht allein, sondern gewähren ihnen seelsorgerliche Begleitung und auch den Zuspruch der Vergebung."

"Ein Bild des Krieges, das sehr gefährlich ist"

Daher ist Jurkiewicz auch kein Freund der einfachen Einteilung in Wir gegen Die, Gut gegen Böse, die in den Interviews von Prinz Harry mitschwingt. "Es bleibt ein Rest Entscheidungsspielraum für die Soldaten, in den zu den Buchstaben des Gesetzes auch die Stimme des Gewissens kommt. Das ist ein ganz anderer Raum, in dem wir nicht in diesem dichotomischen Weltbild von kreuzritterhaftem Gut und Böse verharren müssen, sondern wo es viel differenzierter wird."

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Die burschikose, naive Einfachheit, mit der sich Prinz Harry in den Interview-Videos präsentiert, und die Selbstverständlichkeit, mit der er das Töten zugibt, wird der Komplexität der Sache nicht gerecht. Seelsorger Jurkiewicz, der selbst deutsche Soldaten im Kosovo und in Afghanistan begleitet hat, kritisiert das Auftreten des Prinzen und die damit verbundene Geschichte vom volksnahen Helden-Prinzen, die das britische Königshaus damit erzählt: "Er verführt uns, an ein Bild des Krieges zu glauben, das sehr gefährlich ist. Denn der Krieg hat eine traurige, grausame und tragische Seite."