Die Krise lasse sich nicht allein auf ökonomischem Weg lösen: "Europa braucht gemeinsame Erfahrungen,
Überzeugungen, Orientierungen", sagte Lammert am Freitagabend während einer Begegnungstagung für Politiker, zu der die
Evangelische Kirche von Westfalen nach Schwerte-Villigst eingeladen hatte. Von den Kirchen erwartet der Bundestagspräsident, dass sie die existenzielle Bedeutung der gemeinsamen Überzeugungen und Orientierungen immer wieder deutlich machen.
Lammert warnte vor einfachen Lösungen. "Die Kirchen in Europa können helfen, komplizierte Zusammenhänge verständlich zu machen. Und sie dürfen die Politik daran erinnern, dass die Neigung zur Maßlosigkeit dazu verführt, rechtliche Verpflichtungen hinter sich zu lassen, weil man leicht Opfer des eigenen Größenwahns wird."
"Renovieren und neu möblieren reicht nicht"
Um die wirtschaftliche Krise zu bewältigen, müssen sich die Europäer nach Lammerts Überzeugung darüber klar werden, was sie sich eigentlich unter Europa vorstellen. "Es reicht nicht, dieses wachsende Gebäude ständig zu renovieren oder neu zu möblieren." Es sei nicht damit getan, die Finanzmärkte mit Rücksicht auf die Interessen der Banken zu beruhigen. Mit Bezug auf den früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors sprach er von der "Seele Europas", die für die Gemeinschaft lebensnotwendig sei.
Lammert beobachtet nicht nur ein Defizit an religiöser Orientierung. Moderne Gesellschaften würden auch dazu neigen, die Bedeutung der
Religion zur Lösung ihrer Probleme zu unterschätzen. Demokratie könne zwar kann nur bei sorgfältiger Trennung von Staat und Kirche
funktionieren – "diese Trennung setzt aber eine religiöse Orientierung voraus; ohne die es die Demokratie gar nicht gäbe", sagte der Bundestagspräsident.