Todbringende Wolken: Assad besitzt C-Waffen

Foto: akg-images/Walter Limot
Szene aus dem Stummfilm "Giftgas", Deutschland 1929.
Todbringende Wolken: Assad besitzt C-Waffen
Mit der Drohung, zu chemischen Waffen zu greifen, hat Assad blankes Entsetzen verbreitet. Durch Senfgas waren im Ersten Weltkrieg Zehntausende Menschen gestorben. Syriens Armee dürfte beträchtliche Mengen dieser geächteten Kampfstoffe haben.
01.09.2012
epd
Jan Dirk Herbermann

Der US-Präsident machte unmissverständlich klar: Falls das Assad-Regime im syrischen Bürgerkrieg zu Chemie- oder Biowaffen greifen sollte, würde eine "Rote Linie" überschritten. Dann könnten die USA in den Konflikt militärisch eingreifen, warnte Barack Obama. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Regierung. Zuvor hatte das Assad-Regime mit dem Einsatz von Giftgas gedroht, wurde dann aber offenbar von Moskau gerügt.

###mehr-artikel###

Auch Rüstungsexperten beobachten die Entwicklung in Syrien mit Sorge. Der Friedens- und Konfliktforscher Wolfgang Kötter in Potsdam zählt "Syrien zu den Staaten mit den weltweit größten Beständen an einsatzbereiten Giftgasen". Ägypten, die frühere Sowjetunion, Frankreich und der Iran und hätten den Syrern beim Füllen ihrer Depots zur Seite gestanden. Auch westdeutsche Firmen hätten in den 70er und 80er Jahren hätten durch Lieferungen die Aufrüstung des Assad-Regimes ermöglicht.

Chemiewaffen in der Nähe vom Homs, Damaskus, Hama und Aleppo

"Expertenschätzungen zufolge enthält das syrische Chemiewaffenarsenal, hauptsächlich in den Lagerstätten wenige Kilometer südlich der Stadt Homs und östlich von Damaskus, aber auch nahe Hama und bei dem Dörfchen al-Safira in der Region Aleppo, 500 bis 1.000 Tonnen Senfgas, die Nervengase Sarin und Tabun sowie begrenzte Mengen des extrem giftigen VX-Kampfstoffs", betont Kötter. Als potenzielle Trägermittel stünden etwa 250 moderne nordkoreanische Scud-Mittelstreckenraketen bereit. Chemiewaffen werden auch von Artillerie und von Flugzeugen verschossen, das tödliche Gas wird dann beim Aufschlag oder durch gezielte Explosionen freigesetzt.

Der mögliche Einsatz der gefürchteten Waffen durch Syriens Armee sei "sehr beängstigend" warnt auch der Generaldirektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), Ahmet Üzümcü. Die OPCW in Den Haag überwacht die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention, die genau vor 15 Jahren in Kraft trat, am 3. September 1997. Das Abkommen verbietet die Entwicklung, die Produktion, die Lagerung, die Weitergabe und den Einsatz chemischer Waffen.

Assad hat unterschrieben, keine C-Waffen zu benutzen

188 Vertragsstaaten traten der Konvention bei - Syrien gehört nicht dazu, ebenso wenig Ägypten und der Iran. Dennoch stellt OPCW-Chef Üzümcü klar: "Syrien ist Vertragsstaat des Genfer Protokolls von 1925, das den Einsatz chemischer und biologischer Waffen verbietet." Das Assad-Regime dürfe also unter keinen Umständen auf die gefürchteten Waffen zurückgreifen.

###mehr-links###

Das Genfer Protokoll kam nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs zustande. Die verfeindeten Staaten setzten damals 124.000 Tonnen chemischer Waffen ein, darunter das berüchtigte Senfgas. Kanister wurden geöffnet, um die Gase freizusetzen, der Wind trieb die todbringenden Wolken zum Feind. Rund 90.000 Menschen starben, rund eine Million Menschen erblindeten oder erlitten andere Gesundheitsschäden.

Trotz des Genfer Protokolls überzog Italien im Abessinienkrieg 1935 bis 1936 die äthiopische Armee und auch Zivilisten mit Senfgas: Nach Schätzungen starben Tausende Menschen. In den 80er Jahren griff der Irak unter Diktator Saddam Hussein wieder zu C-Waffen - im Krieg gegen den Iran und gegen die Minderheit der Kurden im Norden des Zweistromlands. Die Bilder der mit Leichen übersäten Straßen in der Kurdenstadt Halabja lösten weltweit Entsetzen aus. Im Jahr 1995 tötete die japanische Aum-Shinrikyo-Sekte bei einem Anschlag mit dem Nervengas Sarin in Tokios U-Bahn zwölf Menschen. Viele Männer, Frauen und Kinder erlitten Verletzungen.

Keine Erfahrung, die Opfer zu behandeln

Sarin und andere Nervengase gelten unter Experten als besonders gefährlich. Sie lösen bei ihren Opfern laut OPCW "eine schnelle Lähmung der Nervenzellen im ganzen Körper aus. Falls die Lähmung nicht behandelt wird, folgt der schnelle Tod." Andere Chemiewaffen greifen die Atemwege, die Haut und das Blut an. Die überlebenden Opfer sind häufig entstellt und leiden jahrzehntelang unter gesundheitlichen Schäden. Zudem lösen C-Waffen Traumata und andere schwere psychische Qualen aus.

Sind humanitäre Organisationen und Mediziner gerüstet, um Opfern eines massiven Giftgaseinsatzes zu helfen? Der Kriegsarzt Robin Coupland vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz gibt eine ernüchternde Antwort: Noch nie habe es nach einem massiven Einsatz der heimtückischen Gase umfangreiche Hilfe für die Opfer gegeben. "Keine einzige Person und keine Organisation hat die wichtigen Erfahrung sammeln können", sagt er.