Nahost: Kirche sieht Konfliktparteien in der Pflicht

Foto: dpa/Jim Hollander
Ein israelischer Panzerfahrer geht am Freitag in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen in Stellung.
Nahost: Kirche sieht Konfliktparteien in der Pflicht
Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, sieht beide Konfliktparteien im Nahen Osten in der Pflicht, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Besorgt über die kriegerischen Handlungen gibt sich der Weltkirchenrat. Der Zentralrat der Juden in Deutschland betont das Recht Israels auf Selbstverteidigung.
16.11.2012
evangelisch.de
Dieter Sell

"Eine Friedensperspektive kann es nur geben, wenn Hamas und Hisbollah endlich das Existenzrecht Israels anerkennen und die gegenwärtige israelische Regierung endlich die Siedlungspolitik beendet", sagte Brahms am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Regierung müsse "die arabische Bevölkerung vor Übergriffen so schützen wie die eigene."

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"Der Beschuss der israelischen Bevölkerung aus Gaza ist genauso wenig zu akzeptieren wie eine Eskalation vonseiten der israelischen Regierung - bei allem Recht, die Bevölkerung zu schützen", bekräftigte der leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche. Er wünsche den Kräften in Israel mehr Gewicht, die sich für eine neue Friedensperspektive einsetzten. Er hoffe zudem, dass sich der wiedergewählte US-amerikanische Präsident Barack Obama im Nahen Osten für neue Verhandlungen engagiere.

Scharfe Kritik übte Brahms an Deutschlands Stellung als weltweit drittgrößter Waffenexporteur. Das sei vor der Geschichte zweier Weltkriege "ein Armutszeugnis und ein Skandal". Angesichts eskalierender Konflikte in Ländern, die noch vor kurzem als stabil galten, seien Panzerlieferungen nach Saudi Arabien oder nach Indonesien inakzeptabel. Brahms wünscht sich stattdessen von der Bundesregierung eine stärkere Vorreiterrolle in der zivilen Konfliktbearbeitung.

Renke Brahms. Foto: epd-bild

"Während Milliarden für Waffen und deren Modernisierung ausgegeben werden, sollen Mittel für die zivile Krisenprävention und Friedenssicherung gekürzt werden", mahnte der EKD-Beauftragte. "Hier muss ein grundsätzliches Umdenken erfolgen." Aber nicht nur die Regierung sei gefragt, sich für Frieden und Menschenwürde zu engagieren. "Das beginnt dort, wo offen oder versteckt fremdenfeindlich gesprochen oder argumentiert wird, wo Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihrer sozialen Situation ausgegrenzt werden." Dagegen mutig einzutreten sei auf dem Schulhof genauso notwendig wie im Sportverein, an Stammtischen oder in kirchlichen Gruppen.

ÖRK: Feindseligkeiten einstellen

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) reagierte mit großer Sorge auf den Konflikt in Gaza und Israel. ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit rief in Genf die Konfliktparteien dazu auf, die Feindseligkeiten einzustellen und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen. Die Zivilisten gehörten in solchen Konflikten immer zu den Hauptopfern, fügte Tveit hinzu. Der Weltkirchenrat repräsentiert mehr als 560 Millionen Christen.

Das kirchliche Hilfswerk "Brot für die Welt" appellierte an die Bundesregierung, sich für einen Stopp der Gewalt in Israel und den palästinensischen Gebieten einzusetzen. Die Bundesregierung müsse alles daran setzen, die Spirale der Gewalt zwischen Israel und militanten Gruppen im Gazastreifen zu beenden, erklärte die evangelische Hilfsorganisation in Berlin. "Vereinfachende und einseitige Schuldzuweisungen sind in dieser komplexen Lage fehl am Platz", erklärte Claudia Warning, Vorstand von "Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst".

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, wünschte allen Menschen in der Region, "dass der Weg zum Frieden von der Hamas und dem Iran nun nicht vollends und vorschnell vernichtet wird". Die Menschen hätten "das Recht auf ein Leben in Frieden und in Sicherheit." Graumann erklärte, Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung: "Wir unterstützen daher ausdrücklich Israels Recht und Pflicht, die eigenen Menschen vor den böswilligen, fortgesetzten Angriffen der Terroristen zu schützen."

"International agierender Terrorismus"

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, erklärte zur aktuellen Lage: "Der international agierende Terrorismus richtet sich gegen die gesamte aufgeklärte, zivilisierte Welt. Auch die jüngste Eskalation von Gewalt in Nahost geht auf den fortwährenden terroristischen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen in den Süden Israels zurück."

Knobloch kritisierte, es herrsche zu wenig Verständnis in weiten Teilen der Bevölkerung und der Medien für die einzigartige geopolitische Situation Israels. "Für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist es schwer zu ertragen, wie wenig Empathie der jüdische Staat hierzulande erhält", fügte sie hinzu. Israel verteidige als einzige Demokratie in der Region "unsere gemeinsamen Werte". Wie jeder souveräne Staat habe auch Israel das Recht auf Selbstverteidigung.