Ich will nicht mit meinen Eltern befreundet sein!

Foto: erdbeersüchtig/Photocase
Teenagern sind die Eltern oft peinlich. Bei Facebook würden sich viele am liebsten vor ihnen verstecken.
Ich will nicht mit meinen Eltern befreundet sein!
Tanten stellen peinliche Fragen, Brüder petzen den Eltern, was sie gerade über die Schwester gelesen haben. In der Facebook-Welt führen familiäre Beziehungen zu sozialen Konflikten.
16.08.2012
epd
Sarah Salin

"Ich glaube, meine Eltern wären der einzige Grund, warum ich mich schnell bei Facebook abmelden würde", schreibt in einem Internetforum "Eliza Day" aus Münster. Das Thema, wie mit den eigenen Verwandten im sozialen Online-Netzwerk Facebook umzugehen sei, wird in dem Forum des Magazins "Brigitte Young Miss" heiß diskutiert. Es gibt dort Mütter, die jede Aktivität ihrer Tochter kommentieren, Tanten, die sich durch alle Fotos klicken und Brüder, die peinliche Einträge machen. Familiäre Beziehungen werden in Facebook auf die Probe gestellt. Zudem gelangen sensible Daten ins Netz.

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Es sind häufig persönliche Gründe, warum Nutzer den Facebook-Kontakt meiden: "Mir wäre es unangenehm, mit meinen Eltern befreundet zu sein", sagt Markus A. aus Bochum. "Worüber ich mich mit meinen Freunde austausche, geht sie nichts an", stellt der 20-jährige Student klar. Von einer Tante hatte er vor einem halben Jahr eine "Freundschaftsanfrage" erhalten. "Die habe ich aber abgelehnt." Er befürchtete, dass die Tante persönliche Kommentare schreiben könnte, die ihm vor seinen Freunden peinlich wären. "Sie ist nun mal etwas speziell." Leider war die Tante aber wegen der abgelehnten Anfrage beleidigt.

Mein Chef soll mich nicht so sehen wie meine Freunde

Soziale Normen im Umgang mit Facebook entwickelten sich noch, sagt der Hamburger Soziologe Jan-Hinrik Schmidt. Der Tante könnte zum Beispiel erklärt werden, was in der Soziologie ein Rollenkonflikt ist. "Je mehr Menschen in einem Kontaktnetzwerk sind, desto mehr Kontexte treten voraussichtlich auf, in denen man sich unterschiedlich darstellen möchte", sagt der wissenschaftliche Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut an der Uni Hamburg. Das bedeutet: Menschen möchten sich beispielweise vor ihren Freunde anders präsentieren als vor ihrer Oma oder ihrem Chef. Ein öffentlicher Eintrag bei Facebook werde aber von all diesen Personen wahrgenommen.

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"Teenager, die sich von ihren Eltern abnabeln, wollen meist nicht, dass diese ihre Facebook-Aktivitäten verfolgen", sagt Schmidt. "Hermine" schreibt allerdings in dem Brigitte-Young-Miss-Forum, dass sie vor ihrer Mutter nichts zu verbergen habe. Auch wenn diese gerne "Nicht so viel trinken" unter Hermines Fotos schreibe. Sie sehe das ganz locker und zählt auf, dass sie mit ihrer Mutter, Schwester, vier Cousinen, einem Cousin, einem Onkel, einer Tante, einem Stiefvater und einer Stiefschwester vernetzt sei - und diese auch prominent in ihrem Profil anzeigen lasse.

Unter "Profil bearbeiten" können bei Facebook die Namen von registrierten Familienmitgliedern angegeben werden. Dann müssen aber die angefragten Personen zuerst die Anfrage bestätigen, bevor sie öffentlich erscheinen. Mehr als die Hälfte der deutschen Facebook-Nutzer (52 Prozent) gibt auf diese Weise Namen von Familienmitgliedern an, wie eine Studie des Münchener Unternehmens für Sicherheitstechnologie secure.me ergab.

Deutsche eher offen bei Facebook

Im Vergleich zu anderen Europäern gehen die Deutschen somit eher offen mit den eigenen Angaben zu Familienmitgliedern um: Nur Nutzer aus Großbritannien (66 Prozent) und Italien (68 Prozent) sind hierbei noch stärker aktiv - Spanier (42 Prozent), Schweizer (40 Prozent), Franzosen (37 Prozent) und Russen (31 Prozent) sind zurückhaltender.

Kritisch sei der allzu legere Umgang mit persönlichen Daten bei Facebook, warnt Mario Grobholz, Gründer von secure.me. Denn natürlich könne für Wirtschaftsbetriebe, die personalisierte Werbekampagnen bei Facebook planen, die Information interessant sein, dass eine Frau beispielsweise die Mutter von zwei Kindern sei, sagt Schmidt. Der Soziologe ergänzt jedoch, dass durch die öffentliche Debatte das Bewusstsein für den Umgang mit persönlichen Daten in virtuellen Netzwerken wachse. "Nutzer sollten sich einfach genau überlegen, welche Informationen sie aus der Hand geben wollen."

Wenn sich bei Facebook Beziehungspflege mit öffentlicher Kommunikation vermische, dann sei das erst einmal nicht tragisch, sagt Schmidt. Neue Kommunikationsmedien schaffen schließlich neue Kontaktmöglichkeiten. Nutzer "Starfrucht" schreibt im Brigitte-Young-Miss-Forum: "Meine Mutter ist immer ganz froh, dass sie über Facebook sieht, dass ich noch lebe, wenn ich mich eine Zeit lang nicht bei ihr gemeldet habe."