Müssen die Vereinten Nationen besonders hohe moralische Standards bei der Auswahl ihrer Geschäftspartner einhalten? Darf die Weltorganisation Firmen aus der berüchtigten privaten Militär- und Sicherheitsbranche anheuern? Diese Fragen diskutieren seit einigen Wochen Diplomaten und Funktionäre der UN.
Auslöser der Debatte ist eine Studie mit dem provokanten Titel "Gefährliche Partnerschaft" des New Yorker Instituts Global Policy Forum. In dem Report beschreiben die Autoren detailliert die Deals der UN mit privaten Sicherheitsdiensten, auf englisch Private Military and Security Companies (PMSC). Manche von ihnen genießen einen zweifelhaften Ruf.
Nur 32 Staaten wollen nicht mit Söldnern zusammenarbeiten
Konkret geht es um Wachtruppen, Minenräumung, Leasing von Flugzeugen und gepanzerten Fahrzeugen, Risikoanalyse, Sicherheitstraining, Logistik und spezielle Beratung. Die Kritiker befürchten: Die UN rutschen mehr und mehr in eine gefährliche Abhängigkeit von Firmen, die mit Konflikten viel Geld machen.###mehr-links###
Die UN selbst reagieren betont zurückhaltend auf die Vorwürfe. Derzeit entwerfe eine UN-Arbeitsgruppe neue Richtlinien für die Zusammenarbeit mit den PMSC, ließ die Weltorganisation mitteilen. Man wolle die Privaten nur im Ausnahmefall einsetzen. Falls die UN aber die "angemessene Sorgfalt" walten ließen, sei die Kooperation mit den Sicherheitsdiensten durchaus "angemessen."
Der Hintergrund: Die UN-Vollversammlung verabschiedete 1989 eine Konvention, die den Einsatz von Söldnern untersagt, sie trat 2001 in Kraft. Bislang gibt es nur 32 Vertragstaaten, die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschland gehören nicht dazu. Dennoch sollte die Weltorganisation mit gutem Beispiel vorangehen.
Kosten der UN für Söldner gestiegen
Ein Söldner ist laut Konvention ein ausländischer Staatsbürger, der von einer Konfliktpartei gegen Bezahlung angeheuert wird, um für sie in dem Konflikt zu kämpfen. Die Grenzen zwischen Söldnern und Wachmannschaften sind aber fließend, besonders in Konflikten mit wechselnden Fronten wie im Kongo.
Die Vereinten Nationen betonen, dass die von ihnen angestellten Personen keine Söldner sind. Doch Berührungsängste mit privaten Militär- und Sicherheitsfirmen scheinen sie nicht zu kennen. Das Global Policy Forum bilanziert: "Die UN nutzen zunehmend die PMSC für einen weiten Bereich."
Zwar existieren nur lückenhafte Zahlen, weil einige UN-Einrichtungen wie das Kinderhilfswerk UNICEF keine Informationen über ihre Geschäftsbeziehungen herausgeben. Feststeht aber: Die UN und die Sicherheitsfirmen kommen immer besser ins Geschäft. Gaben die UN im Jahr 2009 noch 44 Millionen US-Dollar für Dienstleistungen des Sicherheitssektors aus, waren es 2010 schon 76 Millionen Dollar. Das Unternehmen IDG Security (London) zog 2010 den dicksten Fisch an Land: Die UN zahlte laut Global Policy Forum mehr als neun Millionen Dollar für ein Jahr Sicherheitsdienste in Afghanistan.
Kein Weg zurück? Auslagern von Sicherheit für UN normal
Viele der UN-Partnerfirmen seien durch "Gewalt und finanzielle Unregelmäßigkeiten" aufgefallen, heißt es in dem Report. Sie operierten in rechtlichen Grauzonen, vertuschten brisante Aktionen und ließen oft ehemalige Soldaten für sich arbeiten, für die ein Menschenleben nicht viel zähle.
So engagierten die Vereinten Nationen Flugexperten von DynCorp International für den Irak. Die US-Firma half aber auch dem US-Geheimdienst CIA beim Verschleppen mutmaßlicher Terroristen in Folterstaaten. Für ihre Mission in Haiti ließen sich die Vereinten Nationen mit Wachmannschaften der in Großbritannien beheimateten Firma G4S ein. Die machte Schlagzeilen, weil sie Gewalt bei der Abschiebung von Asylbewerbern einsetzte. Im Kongo stellte die Firma Saracen Uganda Wachmannschaften für UN-Einrichtungen, die aus der berüchtigten südafrikanischen Söldnertruppe Executive Outcomes hervorging.
Die Kritik ist nicht neu. Das Genfer "Zentrum für die demokratische Kontrolle bewaffneter Streitkräfte" monierte vor einem Jahr: Das "Outsourcing" von Sicherheitsdiensten sei für die UN schon derart normal geworden, dass es kaum noch einen Weg zurück gebe.