Die Gläubigen schauen gebannt auf den weiß gekleideten Mann. Yusuf Yilmaz bewegt sich langsam und ehrfürchtig zu den orientalischen Klängen. Dann wird die Musik schneller, er küsst seine Hände und beginnt, sich im Kreis zu drehen. Seine Schritte werden immer rascher, der weite, bodenlange Rock schwingt.
###mehr-links### Der Derwisch-Tanz fasziniert die knapp 100 Zuschauer. Zuvor hat sie das "Hava Nagila" der jüdischen Violinisten und das christliche "Ave Maria" berührt. Beim Abrahamischen Fest am Frankfurter Flughafen treffen sich Menschen, die den drei abrahamitischen Religionen angehören: Juden, Christen und Muslime. Sie feiern gemeinsam ein Friedensfest unter dem Motto "Salam, Shalom, Frieden".
Abraham stehe im Judentum für Gastfreundschaftlichkeit für alle Menschen, unabhängig von ihrem Glauben, sagt Rabbiner Shlomo Raskin: "Das Fest ist eine Menschenbegegnung, es geht darum, sich zu treffen und zusammen zu kommen."
Das war auch die Idee von Flughafenpfarrerin Ulrike Johanns. Denn 2001, als sie das erste Abrahamische Fest feierten, war die Situation am Flughafen schwierig: Die Menschen hatten nach den Anschlägen im September Angst und misstrauten einander, besonders denen, die anders aussahen. Ulrike Johanns wollte das ändern, rief beim Rabbiner und Imam an und rannte bei den beiden offene Türen ein. Unterstützt von der Fraport AG begannen die drei Religionen, einmal im Jahr gemeinsam zu feiern.
Wissen gegen Angst und Misstrauen
Selçuk Do?ruer weiß, dass "Unwissen von anderen Angst erzeugt". Er arbeitet bei der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religionen e. V. (DITIB) und ist dort der hessische Landesbeauftragte für interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit. Gegen das Unwissen helfe, Wissen voneinander zu vermitteln. "Wir müssen Skepsis, Angst und Misstrauen durch die Begegnung abbauen", sagt Selçuk Do?ruer.
Hier, am Flughafen, scheinen die jährlichen Feste etwas zu bewirken. Vikar Benjamin Krieg arbeitet zwar erst seit einem halben Jahr am Flughafen, hat aber schon gemerkt: "Die Zusammenarbeit zwischen den Religionen klappt richtig gut." Auch die restliche Zeit im Jahr kommuniziere man miteinander. "Alle Gebetsräume liegen auf einem Flur, wir nennen ihn 'Klein-Jerusalem'", sagt Benjamin Krieg.
Für Benjamin Krieg ist das Friedensfest wichtig, weil alle Gläubigen "gemeinsam das Leben, die Religion und Gott feiern". Sie hätten alle einen gemeinsamen Ursprung im Glaubensvater Abraham. Der Kerngedanke sei der liebende Gott. "Er will nicht, dass wir in Hass leben", sagt Benjamin Krieg.
Gemeinsam essen und dabei einander kennen lernen - ein Ziel des Friedensfestes. Foto: Jana Hofmann
Besonders wichtig findet Rabbiner Shlomo Raskin, dass bei dem Fest nicht nur geredet wird. "Die Thora sagt: Das, was raus kommt, also wenn wir reden, trennt uns. Aber das, was rein kommt, verbindet", sagt er. Deswegen findet er besonders gut, dass die Gläubigen beim gemeinsamen Essen zusammen kommen und dabei miteinander sprechen.
Währen die Sonne über dem Flughafen untergeht, wird es Zeit, das Buffet zu eröffnen. Weil Ramadan ist, übernimmt dies ein Gebetsrufer. Er richtet sich nach Mekka, wartet und beginnt seinen Ruf auf Arabisch. Dann können die Menschen aller Religionen gemeinsam speisen. Jüdische Hefezöpfe, Fastensuppe, die türkische Süßspeise Baklava und Rucola-Salat stehen nebeneinander am Buffet. Die Gäste probieren von den verschiedenen, teils unbekannten Gerichten, empfehlen einander etwas und kommen ins Gespräch. Fast unbemerkt geschieht nach den Vorträgen und Darbietungen der Religionen das, wofür das Fest gedacht ist: Die Scheu und Angst voreinander schwindet. Menschen tauschen sich aus, verstehen sich.