Flächendeckend würden in diakonischen Einrichtungen einzelne Geschäftsteile ausgegliedert, um Mitarbeiter dort schlechter als im Stammbetrieb zu bezahlen, resümiert die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Studie. Der Diakonie Bundesverband wollte zu der Studie zunächst keine Stellung nehmen. Die Aussagen müssten erst bewertet werden, sagte der stellvertretende Pressesprecher Stephan Röger.
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In der Diakonie entstehe durch Ausgründungen ein Tarif-Dschungel aus nicht nur unterschiedlicher Bezahlung, sondern auch verschiedenen Regelungen zur Vergütung von Schichtarbeit, Urlaub und Wochenarbeitszeit, kritisiert die Mitautorin Getrud Kühnlein von der Technischen Universität Dortmund. Der sogenannte Dritte Weg werde genutzt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen, erklärte Norbert Wohlfahrt von der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Für die evangelische und die katholische Kirche sowie ihre Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas gilt arbeitsrechtlich der Dritte Weg. Dabei werden Arbeitsbedingungen und Entlohnung in Kommissionen ausgehandelt, die mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzt sind. Gewerkschaften werden in der Regel nicht beteiligt, Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks und Aussperrungen sind nicht erlaubt.
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Ein Flickenteppich
Mit dieser Sonderregelung geht die Studie scharf ins Gericht. Die Autoren schreiben von einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Arbeitsvergütungsregelungen. Durch Ausgliederungen meist 100-prozentiger Tochterunternehmen, beispielsweise für Putz- oder Küchendienste, gebe es Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse, bemängelt Kühnlein. In den ausgegliederten Betrieben gilt nach ihren Angaben oft der Tarif für die jeweilige Branche und nicht die von der Stamm-Einrichtung festgelegte Bezahlung. Diese Einrichtungen schafften damit auch selbst "ein Einfallstor in den Dritten Weg", erklärt Kühnlein.
Zeitarbeit wird in der Diakonie der Studie zufolge je nach Region und Größe des Unternehmens unterschiedlich genutzt. Sie verliere aber an Bedeutung, sagte Kühnlein. Üblich sei die Nutzung von Leiharbeit zu Spitzenzeiten. Dass sie reguläre Stellen ersetze, sei aber nicht nachweisbar.
Für die Studie wurden die Mitarbeitervertretungen von 299 Einrichtungen der Diakonie bundesweit befragt. Zudem haben sich die Autoren Organisationsstrukturen von diakonischen Einrichtungen angesehen und rund 40 Experten genauer interviewt. Die geplante Befragung der Geschäftsführungsebene sei wegen zu geringer Beteiligung nicht umsetzbar gewesen.
Die Diakonie erarbeitet derzeit eine eigene Studie zu den Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen. Die Ergebnisse könnten voraussichtlich im Herbst vorgestellt werden, sagte Röger.
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Bethel-Chef: "Es gibt kaum eine Alternative"
Der Chef der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Ulrich Pohl, wies die Kritik der Studie zurück. "Da, wo andere Unternehmen Bereiche wie die Hauswirtschaft ausgliedern, gibt es kaum eine Alternative, um konkurrenzfähig zu bleiben", sagte Pohl in Bielefeld dem epd. Wo dies geschehe, würden jedoch Tariflöhne gezahlt. Pohl plädierte dafür, den Dritten Weg als Dienstgemeinschaft weiterzuentwickeln. Die Stiftungen Bethel sind das bundesweit größte Diakonie-Unternehmen.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht sich durch die Studie bei ihrer Kritik am Dritten Weg bestätigt. "Wenn diakonische Einrichtungen wie normale Wirtschaftsunternehmen am Markt agieren, müssen sie sich auch den gleichen Regeln unterwerfen", erklärte Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke. Sie forderte Tarifverträge und ein Streikrecht für die Diakoniebeschäftigten.