Getrennte Wege auch in der Bibel

Zwei Menschen stehen vor Weggabelung
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Auch in der Bibel wird viel von Streit, Missgunst und getrennte Wege gesprochen.
Streit, Missgunst, Trennung
Getrennte Wege auch in der Bibel
Theologische Gedanken zum Bruch der Ampel-Koalition
In der Bibel ist natürlich alles Friede, Freude, Eierkuchen? Ganz und gar nicht. Auch die Bibel kennt das, was wir im Alltag erleben, im Kleinen oder Großen. Da gibt es Streit, Missgunst und gebrochene Versprechungen bis hin zum Mord. evangelisch.de-Mitarbeiterin und Pfarrerin Pamela Barke nimmt den Trennungsbegriff unter die Lupe.

Auch in der Bibel kommt in den "besten Familien" Streit vor. Die Nachbarschaft empört sich. Jesus schimpft. Und die ersten christlichen Gemeinden bekommen sich über die Auslegung von Jesu Botschaft in die Haare. Nicht immer reichen sich – was eine schöne Vorstellung wäre - die Streitenden voller Einsicht und Reue alsbald die Hände zur Versöhnung. Es folgt auch nicht wie im Hinduismus ein mehr oder weniger voraussehbares böses Karma.

Ebenso ist der Gedanke einer umfassenden Rache ist der jüdischen und christlichen Theologie fremd. Die Wege, die die Streitenden bisher gegangen sind, ändern sich – oder trennen sich sogar. Vorweg muss gleich eines gesagt werden: Die Geschichten der Bibel erzählen nicht von Streit als unvermeidbarem menschlichem Verhalten. Sie spiegelt auch nicht einfach die unvollkommenen menschlichen Verhältnisse quasi achselzuckend wider und lässt die Leser:innen ratlos zurück.

Es gibt einen roten Faden, und das ist in allen Teilen der Bibel bleibt der Aufruf zu Liebe, Toleranz und Versöhnlichkeit. Manchmal kommen die Menschen selbst wieder auf den Weg der Friedlichkeit zurück, manchmal ist es Gott und im Neuen Testament Jesus, der selbst das Wort erhebt, um die Perspektiven wieder zurechtzurücken. 

Streitende Brüder

Schon auf den ersten Seiten der Bibel ist vom Brudermord zu lesen (1. Mose 4,1-:16). Aus Eifersucht erschlägt der erstgeborene Ackerbauer Kain seinen Bruder, den Hirten Abel, denn Gott hat dessen Opfer lieber gehabt als seines. Die Folgen der Tat? Kain, und mit ihm die ganze Menschheit, wird zu der unsteten Lebensweise verdammt, die sein Bruder als Hirte hatte. Er soll die Wege seines Bruders gehen! Dennoch bleibt Kain in Gottes Schutz, das "Kainsmal" ist das Zeichen dafür – die Rede von einem (billigen) Karma ist der Bibel fremd. 

In der Geschichte der biblischen Urmütter und Urväter geraten später die Brüder Jakob und Esau in Streit um den Segen des Vaters (1 Mose 25-28). Der Erstgeborene Esau tauscht das Recht darauf zunächst unbedacht gegen einen Teller der köstlichen Suppe seines Jakob. Jakob aber erschleicht sich später den Segen des sterbenden Vaters Isaak, indem er dem Erblindeten mit einer Verkleidung vortäuscht, sein Bruder zu sein. Das Ergebnis des Streites ist, dass Jakob vor Esau in die Wüste flieht. Dort in der Einsamkeit schläft Jakob auf einem Stein als Kopfkissen. Doch damit endet die Geschichte nicht: denn ihm erscheinen Engel, die auf einer Leiter auf und ab steigen. Die Stimme Gottes verheißt ihm Land und viele Nachkommen. Ein neuer Weg hat sich eröffnet

Getrennt in verschiedenen Sprachen

Ebenfalls in der Urgeschichte lesen wir, dass die inzwischen zahlreich gewordenen Menschen beschließen, einen Turm bis in den Himmel zu bauen (1. Mose 11,1-9). Sie wollen sich "einen Namen machen" und sesshaft werden. Alles daran ist eine ungeheure Hybris. Denn der Himmel ist Gottes Terrain, die Menschen sind auf die Erde gewiesen, ihr Schicksal ist - wie wir oben gelesen haben – das Unterwegssein unter Gottes Schutz. Als Gott davon erfährt, trennt er die Menschen in verschiedene Sprachen. Wie könnten Menschen unterschiedlicher unterwegs sein als so: unverstanden und unverstehend? Erst im Pfingstereignis (Apg. 2,1-13) werden eine Sprache sprechen und verstehen können, was der andere sagt. 

Links oder rechts?

Abraham und sein Neffe Lot kommen, während der Wanderung dem gelobten Land entgegen, um Weideland in Konkurrenz. Ihre Herden sind zu groß geworden für das vorhandene fruchtbare Land. Immer wieder gibt es Streit ihrer Hirten deswegen. (1. Mose 13). Doch Abraham will Frieden. Er schlägt vor, sich zu trennen. Er fragt sogar, in welche Richtung Lot ziehen will: zum kargen Land oder zum fruchtbaren am Jordan?

"Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken." (1. Mose 13,9) Lot wählt das wasserreiche Jordangebiet. Und wie ergeht es Abraham der Wüste? Auch hier entsteht aus dem neuen, schwieriger erscheinenden Weg eine neue Perspektive: Gott spricht zu Abraham und verheißt ihm, dass all das Land, das er sehen kann, ihm gehören wird und er viele Nachkommen haben will – so zahlreich wie der Staub zu seinen Füßen, wie Gott ihm sagt.

Die zerstrittenen Apostel 

Eigentlich hatte die urchristliche Gemeinde auf dem Apostelkonzil eine gute Regelung gefunden: Die Heiden, die Christen werden wollen, mussten nicht erst Juden werden müssen. Also: sie mussten sich nicht beschneiden lassen und mussten nicht die Speisegesetze des Judentums einhalten. Aber, erzählt der Galaterbrief (Gal 2,11-14), der Apostel Petrus  verhielt sich dann doch mit einer konservativen jüdischen Gruppe solidarisch, die auf Einhaltung der jüdischen Regel pochte. Es kam zum offenen Streit der "Apostelfürsten".

Paulus ermahnte Petrus. Und dann? Dann gingen auch diese beiden getrennte Wege. Dennoch: Das Christentum sieht beide immer gemeinsam ; beide senden mit ihren biblischen Biografien wichtige Impulse in den christlichen Glauben, beiden werden neutestamentliche Briefe zugeschrieben. Beide sind in Wort und Bild im Christentum präsent: Petrus als Menschenfischer, Paulus als sprachgewaltiger Erklärer des christlichen Glaubens. Auch der 29.6. als Tag des Peter und Paul zeugt davon. 

Scheidung von Eheleuten

Zur Trennung, ja, Scheidung von Eheleuten, hat die Bibel bis hin zu Jesus eine eindeutige Perspektive: Sie ist auf Untrennbarkeit angelegt. Eine wichtige soziale Sicherung in einer Zeit, in der es für Ehelose keinerlei finanzielle und rechtliche Perspektive gab – bis auf Almosen wider alle Moral. Doch schon bei Matthäus 5,32 lesen wir von der Ausnahme bei Ehebruch und in 1. Kor. 7,15 bei einer Ehe mit einem ungläubigen Menschen. In Gottes Gabe und persönliche Verantwortung – EKD kann man die Position der EKD zum Eheverständnis und zur Scheidung nachlesen.

Gott ist die Liebe

Doch bei allem Streit, Konfrontationen und getrennten Wegen, von denen die Bibel erzählt, bleibt es dabei: Allen Menschen ist die Liebe Gottes und die Liebe Jesu Christi als Maßstab und als Handlungsperspektive vorgegeben. Das ist erkennbar im auch im Alten Testament oft wiederholten Gebot der Nächsten (- und Fremdenliebe (3. Mose  Lev 19,18). Und Gott selbst sorgt immer wieder dafür, dass Trennungen von seiner Liebe begleitet sind – vom 1. Buch Mose bis zum Buch der Offenbarung.

Die Liebe als Hauptdimension menschlichen Handeln findet sich in unzähligen Aussagen im Neuen Testament. Ob als von Jesus Christus genanntes Hauptgebot der Gottes- und Menschenliebe (Mt 22,35-40; Mk 12,28–34: Lk 10, 27a ), prägnant wie in 1. Kor. 16,4: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!, ob poetisch und allumfassend wie im Hymnus in 1. Korinther 13, in der schon mystischen Verschränkung von menschlichem Verhalten und göttlicher Liebe "Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1. Joh 4,16b). Der Brief an die Römer, 9-12 führt es aus – und hatte vermutlich auch alle Grund dazu, die Gemeinde in dieser Weise und konkret zu ermahnen: 

"Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden"
Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. 
Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. 
Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. 
Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. 
Seid brennend im Geist. 
Dient dem Herrn. 
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. 
Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. 
Übt Gastfreundschaft. 
Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht.
Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. 
Seid eines Sinnes untereinander. 
Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. 
Haltet euch nicht selbst für klug. 
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. 
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 
Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. […] 
Wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. […]
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.