Live aus Apolda: Weltweites Glockenläuten im Internet

Foto: Annette Fleck
Die Glocken der Himmelfahrtskirche zu Jerusalem.
Live aus Apolda: Weltweites Glockenläuten im Internet
Heute erklingen gleichzeitig Kirchenglocken aus aller Welt im Livestream
Die Herrenmeisterglocke in der evangelischen Himmelfahrtskapelle in Jerusalem ist 6120 Kilogramm schwer und damit die größte Glocke des Heiligen Landes. Zurzeit kann sie nicht geläutet werden. Das Kugellager in ihrer Aufhängung ist reparaturbedürftig. Doch heute am 14. Juli 2012 soll sie wieder klingen: Dann beginnt um 18.50 Uhr zum vierten Mal das Weltglockengeläut aus der Lutherkirche thüringischen Kreisstadt Apolda. Es wird live im Internet übertragen.

"Glocken sind Musik, Glocken verbinden, Glocken lassen aufhorchen" lautet das Motto des weltweit einzigartigen Ereignisses: An mehrern Orten auf der Welt werden große, besondere Kirchenglocken geläutet. Die Klänge werden nach Apolda übertragen und von hier aus über Livestream in aller Welt zu sehen und zu hören sein. Initiator und Kurator ist der Medienkünstler Micky Remann, Veranstalter sind die Stadt Apolda und der Apolda Avantgarde Förderverein.

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Aber warum läuft die Aktion gerade in einer thüringischen Kleinstadt? "Weil die Geschichte des Glockengießer-Handwerks in Apolda zurück bis ins 18. Jahrhundert reicht. Von hier aus gingen die Klangkörper in alle Welt", erklärt Remann. Nach Buenos Aires ebenso wie nach Dar es Salam, Rom oder Windhoek.

Ein schweißtreibendes Handwerk

Rose, Ulrich und Schilling heißen die Familien, die für kurze Zeit oder über die Jahrhunderte ihr schweißtreibendes Handwerk ausübten - bis in die 1980er Jahre. Als der letzte Guss einer Glocke Apolda verließ, waren rund 20.000 der Klangkörper hergestellt worden. Unter ihnen der "dicke Pitter", die St. Petersglocke im Dom zu Köln. Mit 24.000 Kilogramm ist sie die größte Glocke, die in Apolda gegossen wurde, 1923 im Unternehmen von Karl Richard Heinrich Ulrich.

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Der dicke Pitter gibt beim 4. Apoldaer Weltglockengeläut den Ton aus dem Westen an. Wie Kurator Micky Remann sagt, wird sie "mit Genehmigung des Dompropstes außerplanmäßig geläutet." Aus dem Osten wird es das Bronzeglockenspiel der Johanniskirche in der Erzgebirge-Gemeinde Lößnitz sein. Aus dem Norden der Klang der Glocke in Kallion Kirkko in Finnlands Hauptstadt Helsinki. Und aus dem Süden – eben die Herrenmeisterglocke aus der Himmelfahrtskapelle in Jerusalem.

Versöhnungszeichen aus den USA

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Initiator Micky Remann freut sich, dass am 14. Juli erneut die Peace-Bell aus Oak Ridge im US-Bundesstaat Tennessee zu hören sein wird - auch wenn diese Glocke nicht in Apolda gegossen wurde. "Sie ist bis heute ein Zeichen für Freundschaft und Versöhnung."

Ihr Hintergrund: Während des Zweiten Weltkriegs wurde im Rahmen des Manhatten Projekts in der Tennessee-Gemeinde die Atombombe entwickelt. Sie brachte tausenden Menschen in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki den Tod. Doch vor mehr als zehn Jahren beschloss eine Gruppe Menschen in Oak Ridge, ein Zeichen der Versöhnung zu setzen – und ließ in Japan die Peace-Bell gießen.

Glocken plus Gongspiel Posaunen und Tanz

Zunächst läutet am 14. Juli jede Glocke für sich. Dann "greifen musikalische Paten die Klänge mit unterschiedlichen Instrumenten, Stimmen und Klangkörpern auf". So tritt in der rheinischen Domstadt das Erste Kölner Akkordeonorchester in Dialog mit dem "decken Pitter", in Lößnitz der Posaunenchor der Stadt und ein Blechbläserensemble. Das Publikum in Apolda erlebt dazu ein burmesisches Gongspiel, Saxophon, japanische Koto und zwei Tänzerinnen.

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In Apolda ist an den Glockentagen vom 13. bis 15. Juli noch mehr zu erleben, etwa die Ausstellungseröffnung "Kunst, Erz, Klang" im Glockenmuseum oder der Klangweg zwischen Museum und Lutherkirche.

Kurator Micky Remann hofft, dass der Ruf der Glocken als ein Signal der Verbundenheit verstanden wird. "Die Glocke ist das älteste und lauteste analoge Klanginstrument der Welt. Wir inszenieren sie so, dass sie auch im Internet-Zeitalter aufhorchen lässt."