"Die Beschneidung ist für den jüdischen Glauben absolut elementar und nicht verhandelbar", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, dem Münchner Nachrichtenmagazin "Focus". Wenn sich die Rechtssprechung des Landgerichts Köln durchsetzen würde, "dann wäre Deutschland das einzige Land der Welt, in dem Beschneidung verboten wäre".
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte dem Magazin, seine Organisation prüfe gerade, "einen Präzedenzfall zu schaffen", um die Frage der rituellen Beschneidung über den Instanzenweg vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Das Landgericht Köln hatte am Dienstag die Beschneidung eines minderjährigen Jungen aus religiösen Gründen als Körperverletzung bewertet.
Umfrage: 56 Prozent halten das Urteil für richtig
Unterstützung erhielten beide Religionsvertreter vom Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD). "Wenn dieses Urteil Bestand hat, dann haben wir wirklich ein Problem", sagte Robbe. "Dies würde einen massiven Eingriff in die Religionsfreiheit bedeuten."
Auch der Moralphilosoph Robert Spaemann plädierte dafür, die Grundrechte sorgsam abzuwägen. Wer einen jahrtausendealten Ritus abschaffen wolle, "der hat die Begründungspflicht", sagte Spaemann. Im Gegensatz zur Genitalverstümmlung bei Mädchen sei die rituelle Beschneidung von Jungen als Körperverletzung nicht "gravierend". Die Abwägung der Grundrechte könne deshalb "nur zu Gunsten der bisherigen Beschneidungspraxis ausgehen", so Spaemann.
Laut einer repräsentativen Umfrage hält eine deutliche Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) das Urteil für richtig. 35 Prozent halten es für nicht richtig, zehn Prozent haben sich dazu bislang keine Meinung gebildet, wie "Focus" berichtete. Unter allen Parteianhängern finden sich die meisten Befürworter des Urteils bei Wählern der Union mit 69 Prozent, gefolgt von Unterstützern der Linkspartei mit 68 Prozent. Anhänger der SPD bewerten den Richterspruch zu 53 Prozent als richtig. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid hatte im Auftrag des Blattes Ende Juni 1.000 Personen befragt.