Kirche in Spanien hat zwei Gesichter: Zum einen ist Spanien ein traditionell katholisches Königreich, in dem die Osterprozessionen jedes Jahr tagelang inbrünstig und mit eindrucksvollen Kutten zelebriert werden; wo jede Stadt und Gemeinde einen eigenen Feiertag hat, der dem Stadtheiligen gewidmet ist und imposante Kathedralen zum Weltkulturerbe zählen; ein Land, in dem die umstrittene katholische Vereinigung Opus Dei gegründet wurde und mit eigenen Universitäten und mächtigen Mitgliedern in Politik und Wirtschaft angeblich großen Einfluss auf die wichtigen Entscheidungen des Landes hat.
Die Katholiken dominieren – doch ihre Zahl geht zurück
Spanien ist aber auch das Land, in dem seit 2005 – anders als in Deutschland – die Ehe auch homosexuellen Paaren ohne rechtliche Abstriche offensteht und 16-Jährige ohne Wissen der Eltern abtreiben dürfen. Der Einfluss der Katholischen Kirche scheint zu schwinden – zumindest in Zeiten der sozialistischen Regierung, die bis zum Wahlsieg des konservativen Mariano Rajoy im November 2011 mit Regierungschef Zapatero an der Macht war.
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Egal, ob das Land sozialistisch oder konservativ regiert wird, die Katholische Kirche muss dabei zusehen, wie die Zahl bekennender Katholiken – besonders unter Jugendlichen - seit Jahren sinkt. Von den 46 Millionen Spaniern bezeichnen sich in einer aktuellen Umfrage des renommierten Zentrums für Sozialforschung CIS im April 2012 nur noch 71,4 Prozent der Befragten als katholisch. Von ihnen geben 58,5 Prozent an, außerhalb von Hochzeiten, Kommunionen oder Beerdigungen fast nie in die Messe zu gehen.
Die Katholische Kirche verliert ihren Einfluss - einen Einfluss, den die Evangelische Kirche in Spanien noch nie hatte: Ihre Anhänger machen nur einen Bruchteil der 2,7 Prozent der Bevölkerung aus, die angibt, einer anderen Religion als der katholischen anzugehören. Im Einwanderungsland Spanien sind das neben den Protestanten vor allem Muslime, Zeugen Jehovas und Juden.
Demnächst eine Grundsteuer auf kirchliche Immobilien?
Bei der Finanzierung werden Unterschiede zur deutschen Katholischen Kirche deutlich. Eine Kirchensteuer wie in Deutschland gibt es nicht. In ihrer Steuererklärung geben die Spanier stattdessen an, ob sie 0,7 Prozent ihrer Einkommensteuer an die Katholische Kirche oder für andere soziale Zwecke abgeben wollen. So bringt ein Kirchenaustritt in Spanien keine finanziellen Vorteile. Protestanten, Juden und Muslime warten bislang vergeblich darauf, sich in den spanischen Steuererklärungen neben der Katholischen Kirche zur Auswahl stellen zu dürfen. Etwa 40 Prozent der Spanier lassen der Kirche das Geld zukommen.
Diese Einkünfte stellen aber nur einen kleinen Teil der Gesamtfinanzierung der Katholischen Kirche in Spanien dar. Der größte Anteil stammt aus direkten und indirekten Zahlungen und Begünstigungen durch Staat, Autonome Regionen und Kommunen – basierend auf Finanzgesetzen und seit drei Jahrzehnten unveränderten Verträgen zwischen Spanien und dem Heiligen Stuhl.
In einem Land, in dem sich viele Bürger von korrupten Politikern hintergangen fühlen, führt diese Art der Finanzierung regelmäßig zu öffentlichen Debatten. Seit wenigen Wochen streiten sich spanische Regierung und Opposition nun um die Grundsteuer auf Immobilien, die auf Spanisch mit IBI (Impuesto sobre Bienes Inmuebles) abgekürzt wird.
Steuerprivilegien nur für die katholische Kirche
Durch die Finanzgesetze und die Verträge mit dem Heiligen Stuhl ist die Katholische Kirche – im Gegensatz zu anderen Religionsgemeinschaften oder wohltätigen Einrichtungen – bis auf Ausnahmen von dieser Abgabe befreit. Der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Perez Rubalcaba stellt diesen Steuervorteil nun in Frage, auch wenn er die die katholischen Gotteshäuser weiterhin von der Grundsteuer befreien will. "Etwas anderes aber sind die Parkhäuser neben der Kathedrale, mit denen die Kirche Geld verdient", so Rubalcaba. Außerdem sollten die öffentlichen Gelder an die Katholische Kirche in Zeiten der schweren Wirtschaftskrise gekürzt werden.
Die Verträge mit dem Heiligen Stuhl in Frage zu stellen sei unverantwortlich, antwortete Regierungschef Rajoy auf den Vorschlag. "Wir haben in Spanien momentan schon genug Probleme", so der Ministerpräsident der konservativen Volkspartei Partido Popular in Hinblick auf Krise und Massenarbeitslosigkeit. So wird sich am aktuellen Finanzierungsmodell wohl vorerst nichts ändern. Ohnehin wirkt der Zeitpunkt für Rubalcabas Vorschlag fragwürdig: In den knapp acht Jahren als Regierungspartei schwiegen die Sozialisten das heikle Thema aus, wenige Monate nach dem Machtverlust bringen sie das Thema nun aus dem Schutz der Opposition zur Sprache.