Theologe fordert neue Passionsmusik ohne Antijudaismus

Theologe fordert neue Passionsmusik ohne Antijudaismus
15.04.2025
epd
epd-Gespräch: Michael Grau

Hameln (epd). Der evangelische Theologe Stephan Vasel hat sich dafür ausgesprochen, eine neue Passionsmusik für die Kirche ohne antijüdische Elemente zu schaffen. „Wir brauchen eine aktuelle Passionsmusik, die zum Ausdruck bringt, was wir in den vergangenen Jahrzehnten im christlich-jüdischen Dialog gelernt haben“, sagte Vasel dem Evangelischen Pressedienst (epd) im Blick auf den bevorstehenden Karfreitag. Die bisherige klassische Passionsmusik, etwa die vor Ostern häufig aufgeführte Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach (1685-1750), sei durchdrungen von antijüdischen Stereotypen.

Eine neue Passionsmusik zu komponieren, sei ein anspruchvolles Unterfangen, sagte der promovierte Theologe, der als Superintendent den evangelischen Kirchenkreis im niedersächsischen Hameln-Pyrmont mit 45.000 Mitgliedern in 30 Gemeinden leitet. Hier seien auch kirchliche Stiftungen als Geldgeber gefragt. Zeitgenössische klassische Stilformen seien dabei ebenso denkbar wie Pop-Klänge. „Wir brauchen musikalische Vielfalt.“ Wichtig sei, dass die neuen Werke viele Menschen erreichten.

Die klassischen Passionsmusiken von Bach und anderen transportierten häufig eine unterschwellige Judenfeindlichkeit, kritisierte Vasel. Dort würden die Juden als geschlossene Gruppe für Jesu Tod verantwortlich gemacht und als die Bösen geschildert, obwohl Jesus und seine Anhänger selbst Juden gewesen seien. Die Werke verstärkten dabei Tendenzen, die in einigen biblischen Berichten schon angelegt seien. „Man kann das heute nicht mehr unkommentiert aufführen“, sagte Vasel. Zumindest müsse im Programmheft auf die problematischen Stellen der Werke hingewiesen werden.

Der christliche Antijudaismus habe eine „mörderische Wirkungsgeschichte gehabt“, sagte Vasel. Durch die „Mär von einer jüdischen Kollektivschuld“ sei den Christen seit 2.000 Jahren ein negatives Bild des Judentums eingetrichtert worden. „Der über Jahrhunderte eingeübte Judenhass ist nicht die einzige Spur, die zum Holocaust führt, aber er ist auch alles andere als ein kleiner Seitenweg.“ Fast alle Täter des Holocaust seien getauft gewesen.

Historisch gesehen sei die Behauptung, die Juden hätten Jesus umgebracht, schlicht falsch, betonte der Theologe. „Es wird Juden gegeben haben, die am Tod Jesu mitgewirkt haben. Andere werden dagegen gewesen sein, und die Mehrheit hatte wahrscheinlich nie Kontakt zu Jesus und seinen Jüngern.“ Die Hinrichtung Jesu sei durch den römischen Statthalter Pontius Pilatus veranlasst worden.

Wenn einige biblische Berichte trotzdem die Juden pauschal für den Tod von Jesus verantwortlich machten, so sei dies aus der Zeit ihrer Entstehung zu erklären, in der sich die ersten Christen gegen die Mehrheit der Juden abgegrenzt hätten, um sich zu behaupten. Diese Stellen dürften allerdings nicht von ihrer Zeit abgelöst und verallgemeinert werden.