Weimar (epd). Mit einem Gedenkakt ist am Sonntag in Weimar gemeinsam mit Überlebenden an die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora vor 80 Jahren erinnert worden. Die beiden Lager in Thüringen waren die ersten KZ, die von US-Truppen am 11. April 1945 befreit wurden. Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, sprach von einer großen Ehre, dass die hochbetagten Überlebenden aus Israel, Polen, Frankreich, Rumänien und Belarus, darunter zwei über 100-Jährige, für das Gedenken an den Ort ihres Leidens zurückgekehrt seien.
Dieser Tag sei nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern auch Tag des Nachdenkens, was die Lehren aus den Nazi-Verbrechen von damals für uns heute bedeuten, sagte Wagner mit Hinweis auf den erstarkenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus
Auch Altbundespräsident Christian Wulff als Hauptredner warnte eindringlich vor der zunehmenden Verrohung und Radikalisierung der Gesellschaft. Verrohung sei das „schleichende Gift der Rechtspopulisten“, sagte Wulff und zitierte die Worte der heute 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer: „So hat es damals auch angefangen“.
Wenn Friedländer heute so etwas sage, „dann muss uns das antreiben“, sagte Wulff. Ideologen beschwörten heute permanent Krisen und redeten alles schlecht. Dieser Endzeitstimmung und diesem Kulturpessimismus müsse man sich entgegenstellen.
Wulff zog eine weitere Parallele zwischen gestern und heute. Thüringen sei auch damals trauriger Vorreiter bei der Machtergreifung der Nazis gewesen. Heute stelle die AfD im Landtag die größte Fraktion. Wer glaube, man könne die AfD entzaubern durch Einbindung, liege falsch, appellierte Wulff. Macht nutzten Rechtspopulisten zur Abschaffung der Demokratie. Nicht mit der AfD müsse man reden, sondern mit ihren Wählern.
Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) sagte, die damalige Nähe des KZ Buchenwalds zur Kulturstadt Weimar zeige, dass Bildung, Kunst und moralische Selbstvergewisserung nicht immun machten gegen das Böse: „Hier die Stadt der Klassik, dort der Ort der Barbarei“. „Goethe und Gewalt“ würden sich nicht ausschließen. Diese Unmenschlichkeit sei es, „die uns heute so fassungslos macht“, sagte Voigt.
Am Sonntagnachmittag sollte das Gedenken mit einer Kranzniederlegung auf dem Appellplatz der Gedenkstätte Buchenwald fortgesetzt werden. Als Redner und Rednerin waren unter anderem der Vorsitzende des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Naftali Fürst, und die ukrainisch-deutsche Publizistin und Politikerin Marina Weisband (Grüne) angekündigt.
Überschattet waren die Gedenkfeiern von einem Streit um eine geplante Rede des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm. Diese war laut Gedenkstätte auf Druck der israelischen Regierung abgesagt worden, die Boehm unter anderem vorwirft, den Holocaust zu verharmlosen. Der Enkel einer Holocaust-Überlebenden gilt als Kritiker der Regierung von Premier Benjamin Netanjahu.
Mit mehr als 250.000 inhaftierten Menschen aus mehr als 50 Nationen war das 1937 errichtete KZ Buchenwald eines der größten Konzentrationslager im Dritten Reich. Mehr als 56.000 Menschen wurden dort von den Nazis ermordet.