Solingen (epd). Mehr als 120 Menschen haben am Dienstagabend gemeinsam mit den Angehörigen der Opfer eines tödlichen Brandanschlages in Solingen vor einem Jahr gedacht. Bei dem Anschlag auf ein Mehrfamilien-Haus nahe der Solinger Innenstadt war eine bulgarisch-türkische Familie ums Leben gekommen. Nach Polizeiangaben gab es zwei Veranstaltungen. Zu den Teilnehmern gehörten der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und der türkische Generalkonsul Ali Ihsan Izbul. Ein 40-jähriger Solinger, der derzeit vor dem Wuppertaler Landgericht steht, hat die Tat gestanden, schweigt aber bislang zum Motiv.
„Eine grundlegende Aufklärung“ forderte Kurzbach in seiner Ansprache bei der Gedenkveranstaltung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Mitglieder des „Solinger Appell“ und des Bündnisses „Bunt statt braun“ hatten nach dem Toten-Gedenken der Ditib zu einer Kundgebung am Tatort aufgerufen. Sie warfen den ermittelnden Behörden vor, Hinweise auf eventuell rassistische Hintergründe der Tat nicht genügend zu berücksichtigen. Der Vater des getöteten Familienvaters, Emil Zhilov, dankte allen Anwesenden für ihr Kommen, ihre Unterstützung und Solidarität.
Die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises, Ilka Werner, die an beiden Veranstaltungen teilnahm, sprach von „angemessenen und legitimen Äußerungen von Besorgnis“, auch wenn sie nicht allen Reden zustimme. Sie wünsche sich „wachsame Dienststellen“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Brandstiftung weckte Erinnerungen an den rassistischen Anschlag von Pfingsten 1993, als vier junge Männer aus der Neonazi-Szene in Solingen das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand gesetzt hatten. Bei dem Feuer vor einem Jahr war eine vierköpfige, muslimische Familie aus Bulgarien ums Leben gekommen. Die beiden Eltern sowie ihre fünf Monate und drei Jahre alten Kinder hatten im Dachgeschoss gelebt und sich nicht mehr rechtzeitig vor den Flammen und dem Qualm retten können. Acht Menschen wurden verletzt, manche von ihnen schwer.
Bei dem Beschuldigten handelt es sich um einen ehemaligen Mieter, der bis Anfang 2022 in einem Hinterhaus des Objekts gewohnt hatte und dem von der Vermieterin gekündigt worden war. Bei den Ermittlungen war eine Festplatte gefunden worden, auf der sich Bilder mit rechtsradikalen Motiven befinden sollen. Die Ermittler hatten zunächst keine Hinweise für einen rassistischen Hintergrund der Tat gesehen. Die gerichtliche Bewertung des Festplattenfundes ist noch nicht abgeschlossen. Für den 4. April ist ein weiterer Verhandlungstermin angesetzt.