TV-Tipp: "Dünentod: Schatten der Vergangenheit"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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11. Februar, RTL, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Dünentod: Schatten der Vergangenheit"
Wer viele Krimis schaut, ist im Vergleich zur Fernsehpolizei klar im Vorteil: weil die Besetzung der Gastrollen viel zu oft einfallslos ist. Oft verrät schon der Vorspann, wer in der Geschichte hochgradig verdächtig sein wird. Doch in dieser Episode braucht es am Ende starke Nerven.

Mitunter genügt auch ein flüchtiger Blick: Beim Durchforsten alter Akten ist in der sechsten "Dünentod"-Episode ein Foto von Tilman Strauß zu sehen. Der Schauspieler verkörpert im "Tatort" aus Dortmund den unsympathischen Kriminaltechniker, mit dem sich Hauptkommissar Faber ein Dauerduell liefert. Aber nun kommt ähnlich wie beim Elfmeterschießen eine Meta-Ebene ins Spiel: Der Torwart weiß, dass der Schütze stets die gleiche Ecke anvisiert. Der Schütze wiederum weiß, dass der Torwart das weiß; der Rest ist eine Frage der guten Nerven. Die braucht man bei diesem Krimi aus Wilhelmshaven, der ein cleveres Spiel mit dem Publikum treibt, allerdings erst gegen Ende.

Der Film beginnt dem Reihentitel gemäß: Ein Jogger wird auf seiner gewohnten Runde in den Dünen ermordet. Kurz drauf erhält Tjark Wolf (Hendrik Duryn) ein Foto der Leiche mit dem Zusatz "Nummer eins". Somit ist klar: Weitere werden folgen. Der zweite Mord lässt nicht lange auf sich warten: Eine Frau wird in ihrem Auto erschossen. Ein Zusammenhang ist nicht zu erkennen: Nummer eins war Feuerwehrmann, Nummer zwei hat in einer Kfz-Werkstatt gearbeitet.

Als die Freundin des Kommissars entführt wird, kann es keinen Zweifel mehr geben: Das ist was Persönliches. Barbara (Alessija Lause) ist Psychologin, doch auch sie hat keinerlei Verbindung zu den Opfern. Der Vorgesetzte (Florian Panzner) hat dennoch keine Wahl: Wolf muss Waffe und Dienstausweis abgeben, die Ermittlungen übernimmt die Kollegin Femke Folkmer (Pia Barucki). Dass sich Wolf durch die Suspendierung nicht beirren lässt, gehört zum üblichen Krimimuster.

Gerade im Vergleich zu Ismail Şahins packender zweiter "Dünentod"-Episode ("Tödliche Falle", 2023) nutzt Regisseur Stephan Rick, der unter anderem fürs Kino die sehenswerte Martin-Suter-Verfilmung "Die dunkle Seite des Mondes" (2016) mit Moritz Bleibtreu und zuletzt für die ARD den herausragenden Psycho-Thriller "Die Heimsuchung" (2021) gedreht hat, das Potenzial von Kai-Uwe Hasenheits Drehbuch nur bedingt aus. Natürlich besucht der sehr gut fotografierte Film (Kamera: Henner Besuch) zwischendurch immer wieder die in einem Keller angekettete Barbara, deren Fluchtversuche allesamt scheitern.

Für Nervenkitzel sorgt jedoch in erster Linie die Musik (Stefan Schulzki). Zunächst kommt es zur Konfrontation Wolfs mit dem Hauptverdächtigen: Vor zehn Jahren hat der Kommissar gemeinsam mit seinem damaligen Partner nach einer langen Verfolgungsjagd Björn Klaasen (Strauß) gefasst; der Gangster hatte mehrere Geldtransporter überfallen. Dabei gab es einen Unfall, bei dem die Polizisten schwer verletzt wurden. Wolf hat sich wieder berappelt; sein Kollege ist seither dienstuntauglich. Klaasen ist kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden, Wolf stellt ihn zur Rede, nachdem er einen der Handlanger mit einer beiläufigen Geste außer Gefecht gesetzt hat. Die beiden Männer sind offenkundig aus dem gleichen Holz geschnitzt, das verleiht der Szene einen besonderen Reiz, aber der Polizist muss seine dreiste Aktion bitter bereuen. Jeder andere würde nach der Abreibung, die ihm die Schergen des Ganoven verpassen, eine Notaufnahme aufsuchen, aber Filmhelden lassen sich nicht durch ein paar gebrochene Rippen nicht beirren: Wolf macht weiter, was zur Folge hat, dass er kurz drauf selbst auf der Fahndungsliste steht, als Klaasen unfreiwillig aus dem Kreis der der Verdächtigen scheidet; und das auch noch in Wolfs Wohnung.

Interessant ist "Schatten der Vergangenheit" (Vorlage war Sven Kochs Roman "Dünenblut") in erster Linie wegen der Figuren. Das gilt vor allem für einen ehemaligen Kampfschwimmer, der traumatisierten Mitarbeitern von Rettungsdiensten eine spezielle Form der Therapie anbietet: Sie müssen mit Bleiweste in ein tiefes Bassin tauchen und sich durch den derart ausgelösten Stress gezielt ihren Angstzuständen stellen. Fans der Reihe wissen, warum Wolf ganz anders wird, als er das sieht. Kurze Einschübe mit dem kleinen Tjark am Meer erinnern daran, dass Wolf eine ausgeprägte Abneigung gegen Wasser hat: Eine derartige Übung wäre für ihn der pure Horror. Selbstredend lässt es sich Hasenheit nicht nehmen, auf diese Weise schon früh die Voraussetzung für ein ziemlich dramatisches Finale zu legen. Wer hinter den Morden steckt und warum die Rache erst nach zehn Jahren vollzogen wird, ist ohnehin ziemlich überraschend.