Klima-Expertenrat: Emissionen gehen zurück, aber nicht schnell genug

Klima-Expertenrat: Emissionen gehen zurück, aber nicht schnell genug
Der Expertenrat für Klimafragen begutachtet die Einhaltung des deutschen Klimaschutzgesetzes. In seinem neuen Gutachten lobt und kritisiert er die Politik der scheidenden Regierung. Für die Zukunft fordert er mehr Unterstützung ärmerer Haushalte.

Berlin (epd). Der Expertenrat für Klimafragen hat eine gemischte Bilanz der Klimapolitik der Ampel-Regierung gezogen. Der Rückgang der Emissionen sei beschleunigt worden, die Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land hätten zugenommen, und die Effizienz der Förderung im Gebäudebereich sei gestiegen, sagte der Vorsitzende des Gremiums, das die Einhaltung des deutschen Klimaschutzgesetzes begutachtet, Hans-Martin Henning, am Mittwoch in Berlin. Ausreichend sind die Maßnahmen aber nach Einschätzung des Expertenrats noch nicht, insbesondere in den Bereichen Gebäude und Verkehr.

Schreibe man die Entwicklung der Emissionen linear fort, könne das Ziel, bis 2030 65 Prozent der Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren, nicht eingehalten werden, sagte Henning. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme mahnte eine „politische Gesamtstrategie“ an. „Klimaschutzpolitik als eigenen Pfad neben die anderen Politikfelder zu stellen, wird nicht funktionieren“, sagte er und erinnerte an das von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegründete Klimakabinett. Solch ein Gremium mit Koordination im Kanzleramt sei eine „vielversprechende Option“, sagte er.

Die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Brigitte Knopf, beklagte bei den Förderprogrammen für klimafreundlichere Alternativen beim Heizen und im Verkehr eine Schieflage zugunsten von Besserverdienenden. Primär seien bislang einkommensstarke Haushalte gefördert worden, sagte die Direktorin der Denkfabrik „Zukunft KlimaSozial“. Der Umweltbonus für die Anschaffung eines Elektroautos und die Gebäudeförderung, etwa für Wärmepumpen, seien für obere Einkommen profitabel gewesen, sagte sie.

Der Expertenrat plädiert auch angesichts des steigenden CO2-Preises, der ärmere Haushalte in der Relation deutlich stärker trifft, zu mehr und anderen Ausgleichsinstrumenten. Die Infrastruktur, vor allem Schienenverkehr und Wärmenetze, müsse ausgebaut, und Förderprogramme müssten sozial gestaffelt werden. Auch regulatorische Maßnahmen etwa im Mietrecht, wie es sie bei der Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Vermieter und Mieter gegeben hat, bieten sich nach Ansicht des Expertenrats an.

Der unabhängige, fünfköpfige Rat hat den Auftrag, die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes zu begutachten. Alle zwei Jahre muss er ein Gutachten über die Fortschritte bei der Einsparung von Treibhausgasemissionen vorlegen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, der Expertenrat bestätige mit dem Gutachten, dass die Bundesregierung „in die richtige Richtung unterwegs“ sei. Das Klimaziel 2030 sei erstmals in Reichweite. Er räumte aber auch ein, dass der Weg konsequent fortgesetzt werden müsse und verwies insbesondere auf die Forderung des Expertenrats nach einer Ausweitung der Investitionen in Klimaschutz.

Umweltverbände werteten das aktuelle Gutachten dagegen als Warnschuss für die Politik. Die Deutsche Umwelthilfe erklärte, sie erwarte von der neuen Bundesregierung in den ersten 100 Tagen den Start einer Sanierungsoffensive für öffentliche Gebäude. Die Klimabewegung „Fridays for Future“ kritisierte eine „Verweigerungshaltung bei Verkehrs- und Wärmewende“, die Menschen unnötig in eine Abhängigkeit von Öl und Gas sowie in „fossile Kostenfallen“ treibe. Die Diakonie forderte, es müsse sich ändern, dass Klimaschutz zu oft eine Frage des Geldbeutels sei. Bundesvorständin Elke Ronneberger forderte gezielte Förderprogramme und ein bundesweites Sozialticket für Bus und Bahn.