Psychologin: Klima im Wahlkampf bedeutungslos

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Die Querelen um das Gebäudeenergiegesetz haben dazu beigetragen, dass Klimaschutz von vielen Menschen mit Bevormundung in Zusammenhang gebracht wird.
Folge des Heizungsgesetzes
Psychologin: Klima im Wahlkampf bedeutungslos
Die langwierige Debatte um das Heizungsgesetz ist nach Ansicht der Umweltpsychologin Nadja Hirsch einer der Gründe für die untergeordnete Rolle, die klimapolitische Themen im aktuellen Wahlkampf spielen.

"Mit Klima lässt sich derzeit keine Wahl gewinnen", sagte die Gründerin und Geschäftsführerin des Münchner Instituts für Klimapsychologie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anders als im Wahlkampf 2021 werde Klimaschutz auf Wahlplakaten und Veranstaltungen nur am Rand thematisiert, selbst die Grünen schenkten dem Thema wenig Beachtung.

Das hänge auch mit den Querelen um das Gebäudeenergiegesetz zusammen, die die klimapolitische Diskussion der vergangenen Jahre geprägt hätten, erläuterte Hirsch. Viele Menschen assoziierten Klimaschutz seitdem mit Verboten und Bevormundungen. "Das setzt einen Prozess in Gang, den die Psychologie Reaktanz nennt", sagte die Psychologin. Dabei sei nicht entscheidend, ob tatsächlich offiziell etwas verboten werde. Es reiche allein der Eindruck, eingeschränkt zu werden. "Dann bauen die Menschen eine innere Ablehnung auf."

Klimapolitik stehe bei manchen Wählerinnen und Wählern nun verstärkt unter Ideologieverdacht, führte Hirsch aus. Umfragen ihres Instituts hätten gezeigt, dass der Begriff des Klimaschutzes inzwischen anders bewertet wird als noch vor einigen Jahren: "Er ist nun stärker politisch aufgeladen, während der Begriff des Naturschutzes viel positiver wahrgenommen wird."

Ein weiterer Grund für den aktuellen Bedeutungsverlust der Klimapolitik ist laut Hirsch die Dominanz anderer Themen wie Migration und ökonomische Sicherheit. Davon fühlten sich die Menschen derzeit unmittelbarer betroffen als vom Klimawandel. "Wenn ich mir zum Beispiel etwas nicht mehr leisten kann, was ich bisher gewohnt war, wirkt sich das direkt auf meinen Alltag aus", erklärte Hirsch.

Die Messerattacke eines Afghanen in Aschaffenburg mit zwei Toten wiederum habe ein Bedrohungsgefühl ausgelöst, das viel unmittelbarer wirke als die Sorge um den Klimawandel. "Viele Menschen empfinden hier aktuell einen stärkeren Kontrollverlust als bei der Klimapolitik."

"Dass die Klimakrise wenig Beachtung findet, kann sich aber beim nächsten Hochwasser wieder schnell ändern", erläuterte die Psychologin. So habe der von klimapolitischen Themen dominierte Wahlkampf 2021 sehr unter dem Eindruck der Ahrtal-Katastrophe gestanden. Die Menschen hätten damals gemerkt, dass die Erderwärmung und ihre Folgen sie sehr konkret beträfen.
"Einschätzungen sind subjektiv und hängen mit der psychologischen Distanz zusammen", unterstrich Hirsch: "Man setzt sich immer erst dann mit dem Problem auseinander, wenn es vor der Tür steht."