Hannover (epd). Familien sollten psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus Sicht der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Julia Theeg stets ernst nehmen und bestenfalls auch Hilfe von außen holen. Bis zu 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland litten Studien zufolge an einer psychischen Störung, sagte Theeg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Insbesondere Kinder seien in der Regel darauf angewiesen, dass eine Bezugsperson ihre Probleme wahrnehme und entsprechende Hilfen in die Wege leite. „Die können - gerade wenn sie jünger sind - nicht selber anrufen.“
Erwachsene seien eher in der Lage, sich klar zu äußern und ihre Probleme zu benennen, sagte Theeg. Je kleiner die Kinder seien, desto schwieriger sei es aber für sie zu beschreiben, womit sie Probleme haben. „Kinder zeigen das häufig über ihr Verhalten.“ So zögen sie sich zum Beispiel zurück oder seien ängstlich. Genauso sei es denkbar, dass sie viel Kontakt zu den Eltern suchten oder aber diesen Kontakt gezielt vermieden.
Entscheidend sei es, das Kind zu beobachten und mit ihm im Gespräch zu sein. „Bei kleinen Kindern ist es zum Beispiel das Spielverhalten, was sich verändert“, sagte Theeg. Manche spielten dann aggressiver, andere vielleicht gar nicht mehr. Das könnten alles Anzeichen von psychischen Problemen sein. Allerdings müsse nicht jede Veränderung zwangsläufig auf eine psychische Erkrankung hindeuten, betonte die Therapeutin.
Eltern sollten ihre Sorgen klar ansprechen mit Sätzen wie „Ich nehme wahr, dass du Ängste hast, in die Schule zu gehen“ oder „Ich nehme wahr, dass du wütend bist“, erläuterte Theeg. Dies sollte geschehen, ohne das Verhalten zu bewerten. Viel eher müssten die Eltern ihren Kindern klarmachen, dass sie gerne gemeinsam mit ihnen eine Lösung finden möchten.
Eine klar umrissene Ursache für ein psychisches Problem zu finden, gelinge meist ohnehin nicht, erläuterte Theeg. In der Regel gebe es verschiedene Auslöser. Als Beispiele nannte sie Probleme im Elternhaus oder Mobbing und Ausgrenzung. Auch verschiedene genetische Veranlagungen oder soziale Faktoren können der Therapeutin zufolge zu psychischen Erkrankungen führen. „Es ist immer ein Zusammenspiel.“
Problematisch sei, dass die Wartezeiten bei Therapeutinnen und Therapeuten meistens sehr lang seien. Dann könnten in dringenden Fällen auch weitere Spezialisten helfen. „Wenn es so akut ist, dass ich mir um das Leben meines Kindes Sorgen mache, dann ist die Vorstellung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie sinnvoll und notwendig“, unterstrich Theeg. Ein Problem, das keinen Aufschub erlaube, seien in diesem Zusammenhang beispielsweise Essstörungen, „weil sie eine hohe Sterberate haben im Kindes- und Jugendalter“.