Nach Eskalation der Gewalt: Notstand in Kolumbien verhängt

Nach Eskalation der Gewalt: Notstand in Kolumbien verhängt

Berlin, Bogotá (epd). Kolumbiens Präsident Gustavo Petro hat nach der Eskalation der Gewalt mit mehr als 100 Toten den Notstand ausgerufen. Das gab der Linkspolitiker am Montag (Ortszeit) auf der Internetplattform X bekannt. Damit kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und das Militär eingesetzt werden. Die Machtbefugnisse des Präsidenten werden enorm erweitert. Es ist das erste Mal seit 17 Jahren, dass ein Präsident in Kolumbien wieder den Notstand verhängt.

Seit vergangener Woche kämpfen die ELN-Guerilla und Splittergruppen der ehemaligen Farc-Rebellen um die Kontrolle der Region Catatumbo im Norden des Landes an der Grenze zu Venezuela. Etwa 80 Menschen wurden dabei getötet und Dutzende weitere entführt. Nach UN-Angaben sind inzwischen mehr als 18.000 Menschen vor der Gewalt geflohen. Hunderte Familien seien in den Konfliktgebieten noch eingeschlossen. Am Montag wurden mindestens 20 weitere Tote bei Kämpfen zwischen verfeindeten kriminellen Gruppen im Amazonasgebiet im Süden des Landes gemeldet.

Petro hatte nach der Gewalt die Friedensverhandlungen mit der ELN am Freitag ausgesetzt. Er warf den Rebellen „Kriegsverbrechen“ vor und sprach von einem „Massaker an der wehrlosen Zivilbevölkerung“. Rund 5.000 Soldaten der kolumbianischen Armee wurden in die Konfliktregion entsandt.

Der Notstand gilt zunächst für eine Dauer von 90 Tagen, kann aber mit Zustimmung des Senats verlängert werden. Der Präsident kann in dieser Zeit Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Er darf aber weder die Menschenrechte außer Kraft setzen, noch den Kongress ausschalten oder Richter am Obersten Gericht austauschen. Das Verfassungsgericht überprüft die Maßnahmen.

Petro rief außerdem den wirtschaftlichen Notstand aus, der allerdings in den vergangenen Jahren mehrfach zur Anwendung kam. Damit können mehr staatliche Mittel freigegeben werden, um Hilfsgüter in die Konfliktregionen zu schicken. Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) forderte sichere Zufluchtsorte für die Vertriebenen sowie eine schnelle Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten.

Staatschef Petro, der selbst Mitglied der früheren Stadtguerilla M-19 war, hatte bei Amtsantritt im Jahr 2022 versprochen, Verhandlungen mit allen bewaffneten Gruppen des Landes aufzunehmen, um einen umfassenden Frieden zu erreichen. Bei dem seit den 1960er Jahren andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen staatlichen Kräften, linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs wurden mehr als 260.000 Menschen getötet, etwa sieben Millionen wurden vertrieben. Etwa 80.000 Kolumbianer gelten als vermisst.