80 Jahre nach der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anhaltende Anfeindungen gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland beklagt. Der Anspruch müsse sein, dass das jüdische Deutschland genauso selbstverständlich und alltäglich wie das Deutschland jedes anderen Glaubens und Nichtglaubens sei, sagte Scholz bei einer Gedenkveranstaltung in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Davon dürfe man niemals abrücken. Leider sei man davon noch entfernt.
Scholz sagte, gerade heute müsse man Versuchen der Relativierung der deutschen Geschichte entgegentreten und die Erinnerung an die Schoah wachhalten. Es gehe um die Vermittlung der historischen Fakten, denen sich jede und jeder in Deutschland stellen müsse. Für ihn gebe es keinen "Schluss-Strich". Den gebe es auch in hundert Jahren nicht.
Scholz sprach zum Tag des Gedenkens an die Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Am 27. Januar jährt sich zum 80. Mal die Befreiung von Auschwitz im Jahr 1945 durch die sowjetische Rote Armee.
Zwischen 1940 und 1945 starben 1,1 Millionen Menschen in dem Vernichtungslager auf dem Gebiet des heutigen polnischen Staats. Etwa eine Million Jüdinnen und Juden aus ganz Europa wurden dort ermordet. Sie wurden vergast, verhungerten oder starben an Krankheiten und vor Erschöpfung. Damit wurde Auschwitz zum Symbol der nationalsozialistischen Judenverfolgung.
Erleichterung über Geisel-Freilassung
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, appellierte, die Politik müsse eine klare Sprache gegen eine "subtile Verwässerung der Erinnerung an die Schoah" finden. Zuvor hatte sich der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Marc Grünbaum, dankbar für die Freilassung dreier israelischer Geiseln infolge des Waffenstillstandsabkommens mit der Hamas gezeigt.
Auch Scholz sagte, er sei froh, dass die drei Geiseln freigelassen worden seien. Der Kanzler bezeichnete es als "Zeichen der Hoffnung", dass auch die übrigen Geiseln freikommen und die Überreste derjenigen, die gestorben seien, ihren Angehörigen übergeben werden. Die bittere Wahrheit bleibe, dass ein "furchtbarer Terrorangriff" Ursache des Leids sei, der das Ziel der Entmenschlichung hatte. "Das dürfen wir niemals vergessen", sagte Scholz. Die Terrororganisation Hamas hatte am 7. Oktober 2023 Israel überfallen, mehr als Tausend Menschen getötet und mehr als 200 in den Gaza-Streifen verschleppt.
Die Publizistin Carolin Emcke beklagte eine spürbare "Tetris der Menschenverachtung". Diese offenbare sich in Anschlagsversuchen auf jüdische Einrichtungen wie zuletzt in München im September oder Anfeindungen gegen Juden nach dem Hamas-Terrorüberfall, sagte sie und verwies auf eine Verschmelzung antisemitischer, rassistischer, revisionistischer und queerfeindlicher Einstellungen.
Der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) erinnerte an das Schicksal der Holocaust-Überlebenden Eva Szepesi, die am Sonntag auch unter den Gästen war. Szepesi überlebte das Vernichtungslager Auschwitz, verlor aber ihre Mutter und ihren jüngeren Bruder, die in den Gaskammern ermordet wurden. Josef sagte sichtlich bewegt: "Wir werden dem Judenhass nicht weichen, weil wir damit auch unsere Freiheit verteidigen."