Experte: Begriff "Remigration" verharmlost rechtsextremes Gedankengut

Experte: Begriff "Remigration" verharmlost rechtsextremes Gedankengut
14.01.2025
epd
epd-Gespräch: Elisa Makowski

Jena (epd). Nach der Aufnahme des Begriffs „Remigration“ in das AfD-Wahlprogramm befürchtet der Sozialwissenschaftler Jakob Schergaut eine Verharmlosung von rechtsextremem Gedankengut. „Der an sich neutrale Begriff aus der Geschichtswissenschaft ist zu einem politischen Kampfbegriff der Rechten geworden, bei dem es darum geht, Menschen brutal abzuschieben und ihres Wohnortes zu berauben“, sagte Schergaut dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Jena. Schergaut ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In seinem Forschungsprojekt „Geschichte statt Mythen“ setzt er sich damit auseinander, wie Rechtsextreme den Nationalsozialismus umdeuten wollen.

Der Begriff gehe auf den österreichischen Rechtsextremen und Neonazi Martin Sellner zurück, erläuterte Schergaut. Für die sogenannte Neue Rechte sei Remigration ein „Akt der Notwehr“. Dieser fuße auf dem rechten Narrativ, wonach ein sogenannter globaler Austausch stattfinde zwischen Deutschen und Menschen aus Afrika oder dem Nahen Osten. Deutschland lasse das zu, erläuterte Schergaut das rechte Gedankengut, weil es an einem Schuldkomplex wegen des Nationalsozialismus leide. „Die Remigration ist in den Augen der Rechten eine Art der Selbstverteidigung des deutschen Volkes, sich zu schützen und zu bewahren“, sagte der Wissenschaftler.

So fänden extrem rechte Position immer mehr Eingang in den Mainstream. Eine besondere Rolle komme dabei dem Internet und vor allem sozialen Netzwerken zu. Dort träfen junge Leute, oftmals politisch oder historisch zu wenig gebildet, auf Kanäle oder Seiten von Rechten oder Rechtsextremen - ohne Gegenrede oder Einordnung, kritisierte der Wissenschaftler.

Als Beispiel nannte Schergaut den TikTok-Kanal des AfD-Politikers Maximilian Krah, der in dem Netzwerk Zehntausende Follower hat und vor allem mit suggestiven Beiträgen rechte politische Kampagnen betreibe. „Die Propaganda beeinflusst vor allem junge Menschen, die kein medial-kritisches Verständnis haben und oft Fakten nicht von Desinformation unterscheiden können.“

Schergaut forderte deswegen, die Kommentarspalten in sozialen Netzwerken besser zu moderieren. „Wichtig wäre es auch, in die politische Bildung zu investieren und moderne und kreativere Formen der kritischen Erinnerungskultur als Gegenentwurf zur rechten Propaganda, vor allem online, zu etablieren“, sagte er. Als Beispiel nannte er den TikTok-Kanal „keine.erinnerungskultur“ von Susanne Siegert, der über die Verbrechen der Nationalsozialisten im und vor dem Zweiten Weltkrieg aufklärt. Siegert ist Preisträgerin des Grimme Online Awards 2024.