Streit um Wolf-Abschuss im Westerwald

Europäischer Wolf
epd/Heike Lyding
Im Wildpark in Klein-Auheim sind Wölfe in einer natürlichen Umgebung zu beobachten.
Mit dem Wolf leben lernen?
Streit um Wolf-Abschuss im Westerwald
In Rheinland-Pfalz soll erstmals ein Wolf zum Abschuss freigegeben werden, der mehrfach Weidetiere gerissen hatte. Um das Leben des Tieres streiten Umweltschützer und Behörden. Dabei ist zweifelhaft, ob Abschüsse überhaupt dauerhaft nutzen.

Die Naturschutz-Initiative hatte im Dezember mit einem erfolgreichen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Koblenz die erste Abschussgenehmigung für einen Wolf in Rheinland-Pfalz vorerst gestoppt. "Es gibt keine Problemwölfe", sagt Gabriele Neumann. "Das ist ein politischer Begriff." Der Leitwolf des Leuenscheider Rudels GW1896m, dessen "Entnahme" das Land anstrebt, sei in der Tat "ein sehr kluges Tier". Der Wolf laufe Weiden ab und suche nach Schwachstellen in der Umzäunung. Ein Abschuss sei dennoch nicht gerechtfertigt, solange nicht alle Tierbesitzer die nötigen Schutzmaßnahmen ergriffen hätten. Zudem bestehe die Gefahr, das gesamte Rudel auszulöschen.

Für einen scheuen Waldbewohner hat es Wolfsrüde GW1986m zu einer beachtlichen Berühmtheit gebracht. Das Tier, das mit seinem Rudel durch das Grenzgebiet zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen streift, beschäftigt Behörden, Medien - und neuerdings die Justiz. Der zuweilen grotesk anmutende Streit um das Schicksal des Wolfs zeigt wie in einem Brennglas die Probleme, die auftreten können, wenn ein dichtbesiedeltes Land und dessen Bürokratie mit dem Phänomen wilder Natur konfrontiert sind.

Die Wälder und Wiesen von Rheinland-Pfalz sind bislang kaum von dem Raubtier in Besitz genommen worden, das sich seit gut 20 Jahren ausgehend vom deutsch-polnischen Grenzgebiet wieder in der Bundesrepublik ausbreitet. Lediglich vier der bundesweit mehr als 200 bestätigten Rudel halten sich zeitweise in Rheinland-Pfalz auf, drei davon im Westerwald.

Die Emotionen kochen dennoch hoch, die Landtagsopposition und Bauernverbände fordern seit Jahren eine Lockerung beim Schutzstatus, mehr Abschüsse oder gar "wolfssfreie Zonen". Im Fall von GW1896m ist das Land den Forderungen nach langem Zögern gefolgt. "Der Abschuss sollte der Beruhigung der Gemüter dienen", vermutet Gabriele Neumann vom Umweltverband Naturschutz-Initiative.

100 Wölfe in den letzten 20 Jahren illegal getötet

Dass dies überhaupt gelingen könne, bezweifelt sie. Letztlich gehe es manchen Kreisen eher darum, den Wolf in Deutschland wieder auszurotten - ein klarer Widerspruch zu verbindlichen internationalen Konventionen, die auch in Deutschland gelten. Abschüsse von Wölfen wurden auch in anderen Bundesländern bislang nur in Ausnahmefällen genehmigt. Mindestens rund 100 Tiere wurden in Deutschland aber in den vergangenen 20 Jahren bereits illegal erlegt.

Auch GW1896m, der Leitwolf des sogenannten Leuscheider Rudels, hätte nach mehreren Nutztierrissen den Jahreswechsel eigentlich nicht mehr erleben sollen. Die Mainzer Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) hatte den Antrag dazu auf den Weg gebracht. Die Abschussgenehmigung umfasst prinzipiell auch andere Tiere des Rudels. "Die letale Entnahme mit jagdlichen Mitteln ist auf das Exemplar GW1896m zu richten. Aus Gründen der Rechtssicherheit sowie fehlender, GW1896m leicht zuordnungsbarer optischer Merkmale, werden von der Ausnahmezulassung alle Individuen des Leuscheider Rudels erfasst", legt die zuständige Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in bestem Beamtendeutsch fest.

Funktioniert der Herdenschutz?

"Bei den Abschüssen, die es in Deutschland gab, ist meistens der falsche Wolf geschossen worden", berichtet die sächsische Wolfsexpertin Ilka Reinhardt über vergleichbare Fälle. Sie hält es nicht grundsätzlich für falsch, verhaltensauffällige Wölfe zu töten, etwa, wenn sich Tiere wiederholt Menschen gefährlich nähern. Dass Viehbesitzer nicht begeistert auf die Anwesenheit von Wölfen reagieren, sei nachvollziehbar, die Schäden könnten aber durch gute Präventionsmaßnahmen deutlich reduziert werden. "Es gibt viele Beispiele dafür, dass Herdenschutz funktioniert", sagt die Biologin, deren "Lupus Institut für Wolfsmonitoring und -forschung" vor allem in Ostdeutschland Behörden berät. "Viele Schafhalter in Wolfsgebieten haben keine oder nur selten Schäden." Andererseits gebe es Wölfe, die teils jahrelang an schlechten Herdenschutz-Maßnahmen geradezu trainiert würden, Nutztiere zu reißen.

Das Verwaltungsgericht Koblenz machte dem geplanten Abschuss von GW1896m nun vorerst einen Strich durch die Rechnung - auf Klage der Naturschutz-Initiative. Es habe wohl - anders, als von den Behörden behauptet - gar kein "wolfssicherer" Herdenschutz bestanden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass andere Tiere aus dem Rudel sterben würden, spielte eine Rolle. Dass nach jedem Wolfsabschuss eine genetische Untersuchung stattfinden muss, ehe das nächste Tier geschossen werden darf, überzeugte die Richter nicht.

In europäischen Ländern, in denen Wölfe niemals ausgerottet waren, haben Menschen nie verlernt, damit umzugehen. Schäfer wissen, dass sie ihre eigenen Tiere vor Wolfsangriffen schützen müssen. Dort werden Risse von Weidetieren oft überhaupt nicht publik, weil die Vorfälle den Besitzern unangenehm sind. Davon, den Wolf als Fakt zu akzeptieren, ist nicht nur der Westerwald noch weit entfernt.