Berlin (epd). Amnesty International wirft Israel einen Völkermord im Gaza-Streifen vor. Israel habe im Zuge seiner Militäroffensive absichtsvoll Leid und Zerstörung über die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen gebracht, erklärte Amnesty am Donnerstag bei der Veröffentlichung eines Berichts und sprach von hinreichenden Belegen für einen Genozid. Die israelische Regierung wies den Vorwurf mit scharfer Kritik an der Arbeit der Menschenrechtsorganisation zurück.
In dem 296-seitigen Bericht untersucht Amnesty die israelische Reaktion auf den Hamas-Terrorüberfall vom 7. Oktober 2023. Die Analyse komme zu dem Schluss, dass Israel durch seine Handlungen und Unterlassungen einen Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern im Gaza-Streifen begangen habe und weiterhin verübe, erklärte die Organisation.
Israel begehe in der Völkermordkonvention definierte Handlungen in der Absicht, Palästinenser im Gaza-Streifen „als Gruppe zu zerstören“, hieß es. Dazu zählten Tötungen und das Herbeiführen schwerer körperlicher oder seelischer Schäden ebenso wie die „die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen, die geeignet sind, die körperliche Zerstörung der Gruppe der Palästinenser und Palästinenserinnen im Gaza-Streifen ganz oder teilweise herbeizuführen“.
Die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Julia Duchrow, forderte ein umfassendes Waffenembargo. „Wer weiterhin Waffen an Israel liefert, läuft Gefahr, sich an einem Völkermord zu beteiligen. Das gilt insbesondere für wichtige Rüstungslieferanten wie Deutschland“, sagte sie.
Israels Regierung reagierte empört auf den Bericht. Auf der Internetplattform X bezeichnete das israelische Außenministerium Amnesty International als eine „fanatische Organisation“. Diese habe einen weiteren Bericht produziert, der „komplett falsch“ sei und auf Lügen beruhe. Israel verteidige sich gegen die Angriffe von verschiedenen Fronten in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, hieß es. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, sagte, Israel habe nicht das Ziel, die Palästinenserinnen und Palästinenser als Gruppe zu zerstören.
Auch in der Vergangenheit hatte die israelische Regierung den Vorwurf des Völkermords, den wohl schwerwiegendsten internationalen Straftatbestand, zurückgewiesen. Allerdings beschäftigt das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen auch internationale Gerichte. So befasst sich etwa der Internationale Gerichtshof in Den Haag auf Initiative Südafrikas mit dem Genozid-Vorwurf. Die Völkermord-Definition sorgt auch losgelöst vom Nahost-Konflikt immer wieder für juristische Streitigkeiten. Es ist etwa oft schwierig, die Absicht der Täter zu beweisen, die für den Tatbestand entscheidend ist.
Der Nahost-Konflikt war mit dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eskaliert. Amnesty fordert, die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen für die dabei begangenen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen sowie die bedingungslose Freilassung aller zivilen Geiseln im Gaza-Streifen. Den Angaben zufolge soll es zu den von der Hamas und anderen Gruppen verübten Verbrechen einen weiteren Bericht von Amnesty geben.
Für den aktuellen Report arbeitete die Menschenrechtsorganisation nach eigenen Angaben mit Feldforscherinnen und Feldforschern vor Ort zusammen, führte zahlreiche Gespräche, analysierte umfangreiches Daten- und Beweismaterial und führte zudem eigenständige Untersuchungen durch. Auch Berichte aus dem vor dem Internationalen Gerichtshof laufenden Genozid-Verfahren wurden ausgewertet.