Paus will Gewalthilfegesetz noch bis zu den Neuwahlen durchbringen

Paus will Gewalthilfegesetz noch bis zu den Neuwahlen durchbringen
Die Hilfs- und Schutzangebote für Frauen sind unzureichend. Frauenhäuser müssen Gewaltopfer abweisen, Beratungsstellen haben keine Termine. Ein Gesetz der rot-grünen Rest-Regierung soll das ändern. Aber es kommt vermutlich zu spät.

Berlin (epd). Die Bundesregierung will noch vor den Neuwahlen die künftige Finanzierung von Frauenhäusern in Deutschland neu regeln. Das Kabinett brachte am Mittwoch in Berlin den Entwurf von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für ein Gewalthilfegesetz auf den Weg. Danach soll ein individueller Rechtsanspruch auf Beratung und Hilfe eingeführt werden. Von 2027 an will der Bund in die Finanzierung einsteigen. In Deutschland fehlen Tausende von Frauenhausplätzen.

Paus sagte im Anschluss, das Gesetz sei ein wichtiger Schritt, um die Situation der Frauen zu verbessern. Die Zahlen zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen seien „dramatisch“, wie das aktuelle Lagebild des Bundeskriminalamts gerade erst gezeigt habe. Zugleich hätten 15.000 Frauen allein im Jahr 2022 von Frauenhäusern abgewiesen werden müssen, weil die Plätze nicht reichen. Gemessen an internationalen Empfehlungen müssten die Kapazitäten eigentlich verdreifacht werden, erklärte Paus. Nicht nur Frauenhäuser haben zu wenige Plätze, auch Beratungsstellen beklagen lange Wartezeiten.

Die Grünen-Politikerin setzt nun auf die Wochen bis zur vorgezogenen Neuwahl des Bundestags am 23. Februar kommenden Jahres. Paus appellierte an die demokratischen Fraktionen im Bundestag, das Vorhaben zu unterstützen: „Vielleicht ist jetzt genau die richtige Zeit für ein solches Gesetz. Wollen wir nicht endlich etwas ändern? Ich sage ja, wir müssen etwas ändern.“

Die Union müsste dem Gesetzentwurf zustimmen, da die rot-grüne Regierung nach dem Ampel-Aus keine eigene Mehrheit mehr hat. Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU) hat hingegen bereits mehrfach erklärt, sie halte es allein zeitlich nicht für machbar, das Gesetz bis zu den Neuwahlen durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Die Union will indes ebenfalls den Gewaltschutz verbessern und hat einen eigenen Antrag vorgelegt. Breher wirft der Koalition vor, das Gesetz nicht rechtzeitig zustande gebracht zu haben und nun die Opposition unter Druck setzen zu wollen.

Dazu sagte Paus, Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe erklärt, für die Verbesserungen sei kein Geld da. Der Bund wolle in den kommenden zehn Jahren mehr als zwei Milliarden Euro für die Verbesserung der Schutz- und Hilfsangebote zahlen. Das sei „ein gutes Angebot an die Länder“, sagte Paus.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen die Länder verpflichtet werden, ein ausreichendes Angebot an Schutzplätzen und Beratungsstellen bereitzuhalten. Heute finanzieren Länder und Kommunen die Hilfen, der Bund gibt nur Zuschüsse. Für die Frauen und andere Betroffene sollen die Leistungen künftig kostenfrei sein. In den meisten Bundesländern müssen Frauen bisher für ihren Aufenthalt im Frauenhaus eine Zuzahlung leisten. Das Gesetz sieht außerdem mehr Beratungsangebote, Prävention und Aufklärung vor.

Dem Bundeskriminalamt zufolge nimmt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen weiter zu. Im vergangenen Jahr stiegen im Vergleich zu 2022 die registrierten Sexualstraftaten um 6,2 Prozent und Fälle häuslicher Gewalt um 5,6 Prozent. Die Behörden registrierten 938 Tötungsversuche, 360 Frauen wurden umgebracht. Das ist ein Femizid an fast jedem Tag. In Frauenhäusern und Schutzwohnungen suchten rund 14.200 Frauen mit 16.000 Kindern Zuflucht.