Indeon: Worum geht es bei der Ausstellung?
Frederike Petronio: Bei dieser Ausstellung geht es darum, dass wir sichtbar machen wollen, wie viele Betroffene von sexualisierter Gewalt es in unserer Gesellschaft gibt, nicht nur im Kontext Kirche, sondern auch zum Beispiel in der Familie oder im Sportverein.
Man kann auf Grundlage der Zahlen der Polizeistatistik davon ausgehen, dass ungefähr 10 bis 12 Prozent aller Menschen an einem Punkt in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen waren oder es noch immer sind. Also man kann davon ausgehen, in einem Raum von 100 Menschen sind mindestens zehn Personen betroffen. Und auf diese große Zahl Betroffener wollen wir mit dieser Aktion aufmerksam machen, indem wir 40 Personen, 40 Figuren hier im Dom sichtbar gemacht haben. Der, wenn er gut gefüllt ist, ungefähr 400 Menschen fasst, also 10 Prozent, werden hier eben abgebildet und deutlich gemacht.
Wir wollen auf das Thema aufmerksam machen, weil einfach viel zu selten darüber gesprochen wird. Es ist ein Tabuthema und Betroffene werden viel zu oft nicht gehört, nicht beachtet oder es wird nicht auf deren Bedürfnisse eingegangen. Und das wollen wir damit ändern. Und die Menschen dafür sensibilisieren, wie viele Betroffene tatsächlich unter uns sind.
Woher haben Sie diese Zahlen? Und was kann Kirche tun, um diese zu verringern?
Frederike Petronio: Das Bistum Limburg hat unter anderem eine Studie in Auftrag gegeben, wo erfasst wurde wie viele Fälle von sexualisierter Gewalt es gab. Und im Zuge dessen, nachdem die Fälle aufgetaucht sind, wurden Maßnahmen formuliert, die ergriffen werden sollten, damit das Bistum ein sicheres Bistum wird.
Diese Maßnahmen wurden dann in den letzten Jahren auch umgesetzt und ganz speziell wurde die Fachstelle gegen Gewalt gegründet, die sich damit besonders gezielt auseinandersetzt. Sowohl mit der Prävention von Gewalt als auch mit der Intervention. Wenn schon etwas passiert ist, mit der Aufarbeitung, dass wir eben solche Aktionen wie diese hier in die Kirchen bringen, dass darüber gesprochen wird. Aber wir haben auch einen gemeinsamen Betroffenenbeirat, der uns eben auch dabei hilft, die Perspektive der Betroffenen im Bistum sichtbar zu machen.
Welchen Effekt soll die Schau auf Besucherinnen und Besucher haben?
Frederike Petronio: Ich wünsche mir, dass Besuchende, die sich diese Ausstellung angucken, vor allem mitnehmen, dass es sehr, sehr viele Betroffene in den eigenen Reihen gibt. Dass man eigentlich in jedem Kontext davon ausgehen kann, dass man es mit betroffenen Personen zu tun hat und dass man eben entsprechend sensibilisiert wird, dass man sensibilisiert wird für deren Bedürfnisse, für deren Perspektiven, was sie erlebt haben und dass dies vielleicht auch dazu beiträgt, dass nicht nur in der Kirche, sondern auch in der gesamten Gesellschaft eine Betroffenen sensible Haltung eingenommen wird.
Die Figuren sollten natürlich auch irgendwie nicht generisch aussehen, sondern individuell wie Menschen, wie echte Menschen halt eben. Und hergestellt wurden sie von den Caritas Werkstätten des Caritasverbandes bei uns im Bistum Limburg, Westerwald, Rhein, Lahn. In diesen Werkstätten, wo eben behinderte Menschen oder Menschen mit Einschränkungen arbeiten. Geht diese Ausstellung. Die Ausstellung geht vom Samstag, den 16. November bis Samstag, den 23. November, also rund um den 18. November, der der Gedenktag für Betroffene sexualisierter Gewalt ist.
Ist das ein einmaliges Format?
Frederike Petronio: Ja, wir haben erst mal gedacht, eine Woche reicht, um zu testen, wie sich die Ausstellung entwickelt. Was auch so das Feedback ist und wie das ankommt. Aber unser Plan ist schon, das auch noch in andere Kirchen im Bistum zu bringen. Wir wünschen uns, dass das nicht das einzige Mal bleibt, dass die Figuren in den Kirchenbänken sitzen, sondern dass es dann auch noch weitere Aktionen dieser geben wird.
evangelisch.de dankt Indeon für die inhaltliche Kooperation.