Heppenheim (epd). Auf dem Gelände der ehemaligen Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim erinnert seit dieser Woche ein Mahnmal an die Kinder und Jugendlichen, die dort Opfer sexualisierter Gewalt wurden. „Wir dürfen niemals vergessen, was hier passiert ist“, sagte der hessische Landtagsabgeordnete und Mitinitiator des Mahnmals, Marcus Bocklet (Grüne), am Montag im Heppenheimer Stadtteil Ober-Hambach. An der Odenwaldschule, die als Vorzeigeinternat der Reformpädagogik galt, waren über Jahrzehnte hinweg Hunderte Schüler und Schülerinnen systematisch sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
Die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung zu Fragen des sexuellen Missbrauchs, Kerstin Claus, betonte, dass die Übernahme von Verantwortung nie enden dürfe. Sie finde es „verstörend, dass keiner der Täter strafrechtlich belangt wurde“. Das Mahnmal symbolisiere „die Allmacht der Täter und das Ausgeliefertsein der Opfer“.
Der Entwurf für das Mahnmal stammt vom Künstler Adrian Koerfer, der selbst Missbrauchsbetroffener und ehemaliger Vorsitzender des Vereins Glasbrechen ist. Frühere Schüler der Odenwaldschule hatten den Verein 2010 gegründet. „Kindesmissbrauch ist Seelenmord“, sagte Koerfer. Das Land Hessen und der Landkreis Bergstraße haben das Mahnmal auf dem einstigen Internatsgelände mit mehr als 50.000 Euro unterstützt. Die Stadt Heppenheim soll künftig bei der Pflege helfen.
Das Mahnmal besteht aus drei aneinandergelehnten Stahlplatten in der Form übergroßer Türblätter, jeweils mehr als drei Meter hoch. „An den oberen Enden der Platten sind insgesamt neun Türgriffe zu sehen - unerreichbar für Kinder oder Heranwachsende“, erklärte Koerfer seine Idee hinter dem Werk. Die Platten bilden außerdem einen geschlossenen Raum. Das solle deutlich machen, dass es sich bei allen Missbrauchssystemen um geschlossene Systeme handele. Damit stehe sein Entwurf auch für „die Opfer in Familien, Kirchen oder Sportvereinen, weil das alles geschlossene Systeme sind“, sagte Koerfer dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Über den jahrelangen Missbrauch an der Odenwaldschule setzte erst 2010 eine öffentliche Diskussion und Aufarbeitung ein. Bei den Tätern handelte es sich zumeist um frühere Lehrer, zentrale Figur war der langjährige Schulleiter und renommierte Pädagoge Gerold Becker (1936-2010). Bereits seit 2010 gibt es auf dem Gelände einen Gedenkort, den Betroffene gestaltet hatten, bevor die Schule 2015 wegen Zahlungsunfähigkeit den Betrieb einstellte.