NRW-Untersuchungsausschuss soll Anschlag in Solingen aufarbeiten

NRW-Untersuchungsausschuss soll Anschlag in Solingen aufarbeiten
Was hat den islamistischen Messeranschlag von Solingen ermöglicht? Und was muss sich ändern, um solche Bluttaten künftig zu verhindern? Ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags soll die Versäumnisse und strukturellen Probleme beleuchten.

Düsseldorf (epd). Der islamistische Terroranschlag von Solingen wird in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags aufgearbeitet. Unter dem Vorsitz des früheren NRW-Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) soll der Ausschuss „mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und etwaiges Fehlverhalten“ der Landesregierung untersuchen. Für die Einsetzung stimmten am Donnerstag in Düsseldorf die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen sowie die Abgeordneten von SPD, FDP und AfD.

Im Untersuchungsausschuss soll es um mögliche strukturelle Defizite bei Rückführungen, Dublin-Überstellungen, Abschiebehaft sowie dem Ausreisegewahrsam gehen. Das Gremium will sich „ein Gesamtbild des Zusammenwirkens der verantwortlichen Kommunal-, Landes- und Bundesbehörden sowohl in ausländerrechtlicher als auch in polizei- und sicherheitsbehördlicher Hinsicht verschaffen“. Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden der EU-Staaten soll ebenfalls Thema sein.

Beim Fest zum 650. Solinger Stadtjubiläum am 23. August hatte ein Attentäter mit einem Messer drei Menschen getötet und acht verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der inhaftierte Syrer Issa Al H., der in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe des Tatorts lebte. Er war den Ermittlungen zufolge über Bulgarien in die EU eingereist und stellte Anfang 2023 in Bielefeld einen Asylantrag. Eine Rückführung nach Bulgarien, das laut Dublin-Abkommen für ihn zuständig gewesen wäre, schlug fehl. Nach Ablauf der Überstellfrist wurde er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als subsidiär schutzberechtigt anerkannt und der Stadt Solingen zur Unterbringung zugeteilt.

Der Anschlag löste eine intensive Debatte über Verschärfungen in der Migrations- und Asylpolitik aus. Der Bundestag beschloss ein „Sicherheitspaket“, das der Bundesrat aber in Teilen ablehnte. Auch in Nordrhein-Westfalen wurde ein Sicherheitspaket auf den Weg gebracht, das nach Regierungsangaben vom Donnerstag ein Volumen von insgesamt rund 400 Millionen Euro hat und 228 neue Stellen vorsieht.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach vom „größten Sicherheitspaket der Landesgeschichte“. Vorgesehen seien unter anderem eine Stärkung des Verfassungsschutzes und der zentralen Ausländerbehörden, die Planung einer weiteren Abschiebehaftanstalt und der Einsatz virtueller Ermittler.

Die für Flucht und Integration zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) hob die Bedeutung der Prävention hervor, „um insbesondere den neuen Bedrohungslagen für unsere offene Gesellschaft Rechnung zu tragen und Radikalisierungstendenzen bereits frühzeitig entgegenzutreten“. Daher würden zusätzliche Mittel etwa in die Betreuung und Beratung von Geflüchteten gesteckt - Menschen in vulnerablen Situationen würden von Extremisten häufig gezielt angesprochen und angeworben. Auch die Zentralen Ausländerbehörden würden finanziell gestärkt, um die Kommunen bei Abschiebungen besser unterstützen zu können.

Paul war nach dem Anschlag in Solingen vor allem wegen der zuvor gescheiterten Rückführung von Issa Al H. nach Bulgarien in die Kritik geraten. Im Landtag griff die Opposition die Ministerin erneut scharf an. Paul habe eine Aufklärung bislang torpediert, um eigenes Fehlverhalten zu vertuschen, sagte SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat. Die Grünen-Abgeordnete Laura Postma warnte dagegen vor „politischer Profilierung“ im Ausschuss. Dies würde den Opfern nicht gerecht, sagte sie. Es gehe darum, „Lehren für die Zukunft zu ziehen“.