Berlin (epd). Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen, FDP und AfD eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen. Die am Donnerstag in Berlin verabschiedete Erklärung mit dem Titel „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ war von den Regierungsfraktionen und der Union gemeinsam eingebracht worden. Darin bezeichnet der Bundestag den Anstieg antisemitischer Einstellungen und Taten als „zutiefst beunruhigend“. Der Zentralrat der Juden begrüßte die Erklärung.
Zentralrats-Präsident Josef Schuster erklärte, sie sei ein Signal, dass Antisemitismus in Deutschland nicht hingenommen werden dürfe. Es müsse nun aber staatliches Handeln folgen, andernfalls verhalle dieses Signal. Das Internationale Auschwitz Komitee sprach von „einer wichtigen Geste in Zeiten der Bedrohung“.
Der Bundestag appelliert an Bund, Länder und Kommunen sicherzustellen, „dass keine Projekte und Vorhaben mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden“. Ebenso lehnt das Parlament eine finanzielle Förderung für Organisationen und Projekte ab, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder die Boykottbewegung BDS gegen Israel unterstützen. Ausdrücklich werden auch Schulen, Hochschulen und der Kulturbetrieb aufgefordert, gegen Antisemitismus vorzugehen und bei entsprechenden Vorfällen vom Hausrecht Gebrauch zu machen.
In der Erklärung, die keine verbindliche Wirkung hat, wird die Entwicklung in Deutschland seit dem Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sowohl auf einen zunehmend offenen und gewalttätigen Antisemitismus in rechtsextremistischen und islamistischen Milieus zurückgeführt, als auch auf einen vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus.
Die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor bezeichnete die Bekämpfung des Antisemitismus als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Sie forderte Sensibilisierungs- und Bildungskampagnen gegen Judenhass: „Diesen Kampf gewinnen wir nur, wenn wir alle Menschen mitnehmen - ob mit Zuwanderungsgeschichte oder nicht“, sagte die Grünen-Politikerin.
Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese erklärte, es sei richtig, alles dafür zu tun, dass Menschen jüdischen Glaubens in der Bundesrepublik eine Heimat haben. „Sie gehören in unsere Mitte“, sagte Wiese.
Gregor Gysi, Abgeordneter der Gruppe Die Linke, betonte, dass die Kritik an der israelischen Politik und ihrer Regierung selbstverständlich erlaubt sein müsse. Das habe mit Antisemitismus nichts zu tun, wenn sich dahinter keine Ablehnung des Judentums verbirgt. Die Gruppe Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht hatten Änderungsanträge eingebracht, die beide keine Mehrheit fanden.
Kritikerinnen und Kritiker aus der Wissenschaft und dem Kulturbetrieb hatten vor wenigen Tagen einen alternativen Resolutionsentwurf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht. Darin fordern sie ein inklusives Modell des Schutzes von Minderheiten. Sie wenden sich in ihrem Papier gegen antisemitische und muslimfeindliche sowie rassistische, frauen- und queerfeindliche Entwicklungen. Außer prominenten Einzelpersonen unterstützten den Angaben zufolge Organisationen wie Amnesty International, medico international, Oxfam oder „Pax Christi“ den Vorschlag.
Anlass für die Resolution ist der bevorstehende Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November begann für alle sichtbar die Verfolgung und Ermordung der Juden in Deutschland und Europa. Eine Antisemitismus-Resolution des Bundestags war bereits im vorigen Jahr nach dem Hamas-Überfall geplant, kam aber nicht zustande.